24. Bluesfestival Luzern 2018 - Bericht
November Blues
Seit 1995 wird Luzern jeweils im November zum Mekka der Bluesliebhaber. Ich weiss, das klingt wie der Werbespruch eines Touristikunternehmens, ist aber so. Das Publikum schätzt die Tatsache, dass in Luzern der Blues im Zentrum steht und nicht der Kommerz, die Musiker wissen sich geschätzt und gut aufgehoben und Veranstalter, Medienleute und andere, hinter den Kulissen aktive Leute nicht nur der Schweiz, sondern der ganzen Welt können sich hier treffen und austauschen. Dass jeweils ein Spitzenprogramm geboten wird, versteht sich fast von selbst. Es gibt kaum einen Topstar der Szene, der nicht in Luzern aufgetreten wäre. Auch die 24. Ausgabe erfüllte die hohen Erwartungen auf’s Neue. Im Vorfeld gab es verschiedene Anlässe, nicht zuletzt die «Valiant Charity Night», die zum dritten Mal stattfand. Sie spendete 15'000 Franken für die LZ Weihnachtsaktion, einem karitativen Engagement der Luzerner Zeitung.
Der Konzertreigen begann bereits mit einem Höhepunkt. Curtis Salgado verzauberte sein Publikum in kleiner Formation, mit Casey Anderson am Schlagzeug und dem unerhört talentierten Gitarristen Alan Hager, mit dem Salgado seit rund zehn Jahren zusammenarbeitet und der seit 2015 festes Mitglied der Curtis Salgado Band ist. Die beiden legten ein rund einstündiges, viel zu kurzes Set hin, das mit emotionaler Tiefe und musikalischer Breite begeisterte. Man war froh zu wissen, dass Salgado mit seiner Band am letzten Abend nochmals auftreten würde.
Dieses Jahr gab es bloss zwei weibliche Stars: Annie Mack, deren Set mir nicht sonderlich unter die Haut ging, mir erschien manches zu beliebig, während Janiva Magness einmal mehr mit ihrer Intensität, mit der sie die tiefsten Emotionen auslotet, imponierte.
Viel zu reden gab es beim Set des Aktivisten, Predigers und Sängers Reverend Sekou, dessen Darbietung die Zuhörer in zwei Lager teilte: Die einen fanden ihn «zu politisch», die anderen erkannten in seinem Auftritt einen erneuerten und wichtigen Protest gegen den wiederaufflammenden Rassismus nicht nur, aber vor allem in den USA. So oder so, seine Botschaft hatte die Gemüter aufgewühlt und berührt. Barrence Whitfield & The Savages lieferten eine Art Punkrock ab, ungestüm, laut und wild, mit einem Sänger, der sich so sehr verausgabte, dass man zuweilen die Befürchtung hatte, er würde das Set nicht unbeschadet überleben. Beide sprengten den Rahmen dessen, was für Traditionalisten zum Blues gehört und bewiesen mit ihren Auftritten, dass Luzern erfreulicherweise auch jenen eine Bühne gibt, die Grenzen überschreiten und damit auch Impulse geben können.
R.J. Mischo, der bereits an den Vorveranstaltungen aufgetreten war, stimmte den Saal am zweiten Abend mit vertrauteren Bluesklängen ein. Mit seinen beiden Gitarristen Franck «Paris Slim» Goldwasser und Jeremy Johnson hat er ein feines Händchen bewiesen. Sie legten ein feuriges Set hin, im Gegensatz zu Anthony Geraci & seine Boston All Stars. Ihr Auftritt wirkte auf mich zerfahren und uninspiriert, da habe ich den Meister schon in besserer Form erlebt. Zum Beispiel im Casineum, wo er als Gast zu der Genfer Band Three Hours Past Midnight stiess. Bandleader Laurent Gilliéron konnte ausserdem den Bluecerne Sänger Renato Cazzaniga und den Sänger und Harpspieler Egidio «Juke» Ingala auf die Bühne holen und legte einen abwechslungsreichen und stimmigen Auftritt hin.
Das Festival hatte mit einem Höhepunkt begonnen und erreichte mit dem gesamten, letzten Abend ein weiteres Highlight. Eröffnet wurde das Finale mit dem Chicago Blues Gitarristen und Sänger Rockin’ Johnny Burgin mit seiner Band. Die Lockerheit, mit der er auf der Bühne agiert und seine ausserordentlich charmante Art und Weise, mit dem Publikum umzugehen, lassen fast vergessen, welch grossartiger Gitarrist er ist, der alles bot, was man von einem Bluesgitarristen erwartet, inklusive Bad in der Menge. Unterstützt wurde er vom Harmonikaspieler Aki Kumar, einem Musiker mit indischen Wurzeln, der eine fetzige Version von Rollin’ And Tumblin’ mit seinem eigenen Text unter dem Titel Goin' To Bombay vortrug. Klasse Harpspieler.
Bei manchen Menschen geht die Sonne auf, sobald sie einen Raum betreten. Johnny Tucker ist so einer. Er versprühte von der ersten Sekunde seines Auftritts bis zum letzten Akkord schiere Lebensfreude und gute Laune. Dabei kam er am Stock auf die Bühne und musste das Set sitzend absolvieren. «Sowas kann man nicht spielen. Der ist so!» meinte eine Zuhörerin.
Da sass er also, elegant im Nadelstreifenanzug und strahlte in den Panoramasaal. Unterstützt wurde er von einer Band, auf die der Begriff «tight» genau passt. Sie hielten einen mitreissenden Groove über das ganze Set aufrecht. Als Gast hatte er den kalifornischen Bluesrock Gitarristen Kid Ramos dabei, der sich davon mitreissen liess und dem Rest des Sets einen rockigen Stempel aufdrückte. Im Zentrum aber Tucker, der die Band antrieb und den Saal mitriss.
Dann betrat Curtis Salgado die Bühne, diesmal mit der ganzen Band. Es war im Grunde genommen eine Erweiterung seines Auftritts am ersten Abend. Souverän sang er sich durch alle Schattierungen der Bluesstile. «Blues, Soul, R&B, Rock’n’Roll - You call it, whatever you like. We call it having good time» So kündigte er sein Set an. Und er behielt recht. Klassiker wie Muddy Waters Can’t Be Satisfied und neues, eigenes Material, zum Beispiel You Got To Move. Man könnte stundenlang zuhören.
Schliesslich die inzwischen zur Tradition gewordene Zydeco Party, welche alljährlich die Konzertreihe im Panoramasaal beschliesst. Diesmal war es Geno Delafose & French Rockin’ Boogie. Die sechs Leute machten ordentlich Dampf mit ihrem Gutelaune-Sound. Wer noch in entsprechender Stimmung war, konnte sich Anthoy Geraci und seine Boston All Stars nochmal im Casineum anhören.
Damit schloss das 24. Kapitel des Luzerner Festivals einmal mehr erfolgreich.