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Richard Gardner Finding Son House (2015)

Ein ganz dünnes Brettchen

GardnerSOnHOuseBuchCoverDer Blues-Enthusiast Richard Shade Gardner hat ein in Buchform erschienenen Bericht über seine Suche nach dem legendären Bluesman Son House vorgelegt. Diesen zu lesen kann man sich allerdings ruhig sparen, denn das Buch besteht aus mehreren Kapiteln, in den der Autor eigentlich immer dasselbe schreibet: nämlich dass er zu spät gekommen ist. Schade, aber so ist der Lauf der Zeit. Der Besuch war im Jahr 1981, das Buch erschien im Jahr 2015 und man fragt sich schon: versucht da jemand um jeden Preis Geld zu machen, selbst wenn es sich bei dem «Buch» um 79 Seiten gross gedruckt und üppig bebildertes Nichts handelt? Schade.

Richard Shade Gardner ist ein Bluesfan und in den frühen 1980er Jahren war er ein DJ auf einem Blues-Radio, wo er eine wöchentliche Sendung in Rochester, New York moderierte. Als Einstieg und Schluss seiner wöchentlichen Sendung spielte er Son Houses Grinning in Your Face an, und dann machte er sich auf die Suche nach dem Bluesman, den er dann auch finden sollte. Sein Büchlein Finding Son House zeichnet diese Suche und berichtet über die Ergebnisse.

Eddie James «Son» House (1902–1988) aus Riverton, Mississippi, war ein legendärer Bluesman, der aus der Gründerzeit stammt, als der Teufel jede Woche an Strassenkreuzungen junge Männer zu verführen versuchte. Und im Gegensatz zu Robert Johnson oder Charley Patton gibt es von Son House wirklich Aufnahmen, auf denen man tatsächlich etwas hören kann, denn zusätzlich zu den verknisterten und nicht ausgesteuerten Lo-Fi-Aufnahmen der 1930er Jahre, bei denen Bluesman direkt in Aufnahmetrichter sangen, gibt es von Son House auch gute Aufnahmen, als der Endsechziger nämlich mit seinem Album Father of the Delta Blues (1992 von Sony Music als CD veröffentlicht) seine alten Aufnahmen nochmal einspielte und damit die Folk Blues-Gemeinde der 1960er Jahren erreichte.

Die «Wiederentdeckung» von Son House 1964 war sicherlich eine Sensation gewesen, aber Gardner wollte es in den frühen 1980er Jahren nochmal wissen und machte sich erneut auf die Suche nach dem Achtzigjährigen Sänger und Gitarristen, der inzwischen in Detroit lebte und dessen Alter und jahrelanger Alkoholkonsum inzwischen ihren Tribut gefordert hatten.

Mit anderen Worten: Gardner kam zu spät. Er traf nicht mehr den Bluesman an, sondern einen alten Rentner, der von seiner Musik in der Vergangenheit sprach, und der sich auf einem Foto noch immer gut machte mit der Gitarre in der Hand, allerdings waren seine Kraft erlahmt und seine Fähigkeiten untrainiert. Er war also zum Zeitpunkt des Zusammentreffens mit Gardner einfach ein alter kranker Mann.

Der Autor Richard Gardner selbst fand offenbar lange Zeit nicht, dass es wichtig wäre, diese Begegnung aufzuschreiben, weil de facto und wie aus dem Buch nun zu ersehen, auch nichts geschehen ist, die beiden setzten sich aufs Sofa, plauderten, machten ein Foto und das war’s. Trotzdem hat er nun, über dreissig Jahre nach dem Treffen, dieses Büchelchen geschrieben, das 79 paginierte Seiten umfasst, wobei hier auch nur mit Illustrationen gefüllte Seiten, das Literaturverzeichnis und sogar der Hinweise auf weitere Bücher des Autors paginiert wurden, um es so erscheinen zu lassen, als gäbe es hier etwas zu berichten. Das ist nicht der Fall.

Wieso also schreibt der Mann so ein Büchlein? Wieso bringt es der Verlag heraus? Von Son House liegt mit Daniel Beaumonts Preachin’ the Blues : The Life and Times of Son House von 2011 eine gut recherchierte und umfassende Biographie (206 S.) vor, aber zu seinen Motiven äussert sich Gardner nicht. Man könnte ihm unterstellen, damit Geld machen zu wollen (Das Buch kostet bei Amazon 10 US$) oder sich im moralischen Grabenkrieg der sich stärker und stärker spaltenden USA auf die «richtige» Seite schlagen zu wollen, indem er mit dem Buch dokumentieren will, dass er kein Rassist und Elitist ist, aber wozu?

Solche Fragen umtrieben mich immer wieder, als ich in wenigen kurzen Busfahrten dieses stilistisch nicht sehr gut geschriebene Buch durchgelesen hatte. Unter dem Strich bleibt die Erkenntnis, dass es einfach nicht mehr viel zu Son House zu entdecken gibt, stattdessen sollte man sich seine einzigartigen Aufnahmen anhören. Manche Künstler sprechen nur durch ihr Werk.

Gardner, Richard Shade - . Finding Son House :  One Searcher’s Story - . 79 Seiten, diverse Abbildungen - . Atlanta, Charleston: Brigae Southern, 2015 - . ISBN 978-1494463168.