Rise Of A Texas Bluesman: Stevie Ray Vaughan 1954-1983
Gut erzählte Geschichte
Zwei prall gefüllte Stunden mit biographischem Material und interessanten Interviewpartner machen diese Dokumentation zu einem sehenswerten Film über den Werdegang und Aufstieg des jungen Texas Bluesman, der 1983 auf die internationale Bühne trat und mit der Hilfe einiger Freunde nicht nur eine internationale Karriere begründete, sondern zugleich einer Form von Musik zurück zum Leben verhalf, die schon tot geglaubt war – dem Blues. Die Doku besticht mit Detailgetreue und vielen Film- und Fotoaufnahmen, die man nicht jeden Tag zu sehen bekommt. Eine wirklich sehenswerte Doku über Stevie Ray Vaughan und die Geschichte des Blues im letzten Viertel des Zwanzigsten Jahrhunderts. Es gibt den Film als DVD und als Online-Angebot bei Itunes. Die Tonspur ist nur Englisch und gibt keine Untertitel.
Der Film Rise Of A Texas Bluesman: Stevie Ray Vaughan - 1954-1983 wurde produziert und hergestellt von Tom O’Dell, der auch verantwortlich zeichnet für die Dokumentation The Rolling Stones : Under Review 1967–1969 aus dem Jahr 2007 über eine schwierige Zeit in der Geschichte der Rolling Stones und Kraftwerk and the Electronic Revolution von 2008 über die Düsseldorfer EDV-Musiker. Musiker-Dokus scheinen also die Spezialität des Mannes zu sein, denn er hat auch zu Beach Boys-Mastermind Brian Wilson, Pink Floyd sowie zu Bob Dylan gearbeitet. Der Mann selbst ist übrigens nicht zu verwechseln mit dem 25-jährigen Britischen Pop-Sänger Tom Odell.
Sein Film über die Texas Bluessensation Stevie Ray Vaughan (1954–1990) beinhaltet zwei Aspekte, nämlich die Einordnung des Mannes in die Tradition des Texas Blues sowie den Werdegang von SRV vom scheuen Gitarristen zum perfekten Showman, der neben grossartigem Gitarrenspiel und Gesang auch die Bühnenakrobatik und das Showmanship der texanischen Bluestradition wiederaufleben liess. Der Film geht chronologisch durch die Jahre und verortet so SRV in der Geschichte des Blues und des Texasblues im Allgemeinen. In allen Abschnitten kommen Zeitzeugen zur Sprache, was ja in Dokumentationen der Standard ist, aber hier sind die O-Töne kurz und knapp und interessant gehalten. Zur Sprache kommen Joe Nick Patoski (der 1994 die Biographie Caught in the Crossfire schrieb, aber auch eine Biographie zu Willie Nelson), Angela Strehli, die Stevie Tipps gab, wie er vom Gitarristen zum Sänger werden konnte und deren Titel Texas Flood er danach zu seinem machte, Paul Ray, in dessen Band Paul Ray and the Cobras der junge SRV spielte, ehe er seine eigene Band gründete, Marc Benno und Denny Freeman in deren Marc Benno and the Nightcrawlers er noch davor gespielt hatte und verschiedene andere Zeitzeugen wie Alan Govenar, Alex Hodges, Craig Hopkins, Jack Chase, oder Nigel Williamson.
Von seinen Mitmusikern ist einzig Reese Wynans zu hören, der Keyboarder auf den letzten Alben. Nicht geäussert haben sich Tommy Shannon oder Chris Layton, Bassist und Schlagzeuger von SRV, und sein älterer Bruder Jimmie Vaughan, der Vorbild und Ansporn für den jüngeren war und deren Geschwisterliebe nur in frühesten Kinderjahren schwierig war. Jimmie hat seinen Bruder beispielsweise an Marc Benno empfohlen, der mit ihm die ersten Aufnahmen machte. Ebenfalls gibt es keine Aussagen von Doyle Bramhall, der in den Schulbands The Nightcaps und Storm Schlagzeug spielte, in denen Stevie erste Bühnenauftritte an der Gitarre machte. Da Barmhall 2011 verstarb, wird dies wohl der Grund sein.
Was das einführende Kapitel zum Texas Blues angeht, so werden dort Blind Lemon Jefferson und dessen Begleiter und Helfer Aaron «T-Bone» Walker ebenso erwähnt wie Albert King, aber erstaunlicherweise nicht Albert Collins. Wirklich entscheidend den Weg geebnet aber hat Johnny Winter, der als erster Weisser Bluesman Erfolg hatte mit der texanischen Mischung von Blues und Rock. Dieser Abschnitt des Films kann auch Alibi gesehen werden, um eine historische Note reinzubringen, denn die versuchte Konstruktion einer musikalischen Kontinuität überzeugt m.E. nicht. Gleichwohl ist es interessant zu sehen und in dieser kondensierten Form zu hören. Als dann die Familie Vaughan die Bühne betritt, geht es nur noch um die sich entwickelnde Bluesszene der 1970er Jahre in Dallas und speziell Austin, wo SRV noch als Minderjähriger in der Band Blackbirds gegen die konkurriernde Band Cracker Jack anspielte, in welcher Tommy Shannon den Bass zupfte.
Was die Dokumentation wertvoll und sehenswert macht, das ist die Mischung aus warmherzig erzählten Anekdoten (etwa wenn Angela Strehli schildert, wie Albert King zu grinsen begann, nachdem er das erste Mal den jungen «Little» Stevie auf die Bühne gebeten und erkannt hatte, dass dieser seine Lick nachspielt. Dazu gibt es seltene Aufnahmen, etwa von Vaughans legendärem 1982er Auftritt in Montreux oder Fotos mit seiner «No. 1»-Gitarre, die in den frühen 1970er Jahren noch perfekt lackiert war. Eine Geschichte kann gut sein, wenn man sei nicht zu erwählen weiss, wird jede Geschichte uninteressant. Dies ist mit viel Zuneigung und Sachkenntnis erzählte eine Geschichte. Und man erfährt, wie Montreux-Gründer Claude Nobs von «Atlantic» Mitarbeiter und Blues-Kenner Jerry Wexler angerufen wurde, als dieser den jungen SRV in Austin gehört hatte.
Im Moment erleben wir eine Phase, in der jeder Konzertmitschnitt von Stevie Ray Vaughan & Double Trouble auf CD veröffentlicht wird, obwohl dieser zumeist dasselbe und wohl bekannte musikalische Programm präsentieren. In dieser Video-Dokumentation erfährt jeder ausser dem eingefleischtesten Fan Neues über SRV und die mit ihm einhergehende Wiedergeburt des Blues in den 1980er Jahren. Auf Google Play gibt es einen Trailer von 2:30 Minuten, der als Einleitung den Anfang der DVD bildet.