Irene Zwahlen, Back to Bümpliz
Blues, Gospel und Dialekt
Irene Zwahlen Back to Bümpliz
Die neue CD der stimmgewaltigen Berner Sängerin Irene Zwahlen liegt vor, ein Album mit dem Titel Back to Bümpliz. Diese CD ist die erste Solo-Veröffentlichung Zwahlens unter eigenem Namen, die allerdings bereits eine erfahrene Musikerin mit verschiedenen abgeschlossenen anderen Projekten ist, zuvor als Irina auftrat oder als Irina & Gadjos, Irene & The Flourious Three oder zu Beginn des Jahrzehnts als Teil der The 4 Flames. In all diesen Formationen arbeitete Irene Zwahlen stets mit Multi-Intrumentalist Chris Habegger zusammen, der auch auf Back to Bümpliz alle Saiteninstrumente ausser der elektrischen Gitarre spielt. Die Dame scheint also in der Tat schon ziemlich rumgekommen sein, auch musikalisch. Sie lässt sich nicht auf ein Genre reduzieren und sang zuvor von Chanson und Tango über Soul oder Jazz-Titel jede Form der schönen Musik bis zu Musical-Klassikern wie Summertime. Daneben sang sie schon im weitesten Sinn Schlager (Heb Ab an der «European Song Contest» 2004 Vorentscheidung) und sogar Schweizer Dialektlieder (Hemmige, Zigünerin). Das neueste Projekt von Irene Zwahlen ist nun also ein Blues-Album mit einer vergrösserten Begleitband. Dabei ist die Rückkehr nach Bümpliz vielleicht eine lokale, aber musikalisch ist es ein Aufbruch zu neuen Ufern.
Irene Zwahlen hat für ihr ihre erste Solo-CD eine vierköpfige Band um sich geschart unter der Leitung von Langzeit-Mitmusiker Chris Habegger an Geige, Bratsche, Mandoline, akustischer Gitarre, Mundharmonika und Bass. Neben diesem spielen Daniel Zehnder am Piano, Dave Kobrehel Schlagzeug und Bruce Reynolds E-Gitarre. Auf dem Eröffnungssong kommt hierzu noch der französischsprachige Rapper Black Pac. Die CD Back to Bümpliz enthält einen bemerkenswerten Mix von selbst geschriebenen Songs (das Eröffnungsstück Black Day und der Titeltrack im Berner Dialekt an elfter Stelle), Gospels (I Want Jesus to Walk With Me, Jesus on the Mainline) und einer Reihe von Coversongs der «Best of»-Titel des Blues (I Got My Mojo Working, How Long Blues, The Thrill is Gone, Baby What You Want me to Do und sogar Hoochie Coochie Man). Zum Schluss folgt eine gefühlvolle Ballade, der Titel Out of the Rain von Tony Joe White.
Die Stückauswahl einerseits, aber vor allem dann deren Realisation lässt insgesamt weniger den Eindruck erstehen, als ob Irene Zwahlen seit langem eine tiefe Liebe für den Blues habe, die nun endlich im Studio festgehalten wurde. Vielmehr macht das Projekt Back to Bümpliz den Eindruck, als stelle Zwahlens jüngste Veröffentlichung einen Versuch dar, mit einem Genrewechsel den Durchbruch auf die grosse Gesangsbühne und zu Star-Ruhm zu schaffen. Nun muss man sicher nicht im Delta geboren sein, um Blues spielen zu können, wie ja die Schweizer Bluesszene eindrücklich zeigt. Und auch gegen eine gegenüber den Originalen veränderte Instrumentierung bei der Begleitung eines Blues-Songs ist an sich nichts einzuwenden. Schliesslich ist aus der Sicht eines Bluesfan die Konvertierung jeder Person zum Blues erfreulich und vielleicht sogar wünschenswert, aber als Interpret müssen die Covers wirklich von ausgesuchter Originalität und Qualität sein, um sich abheben zu können. Dies ist Irene Zwahlen oftmals nur in Ansätzen gelungen.
Auf einer Erstlings-CD The Thrill is Gone und Hoochie Coochie Man zu covern ist das Äquivalent davon, in einem gelben Trikot mit dem Velo auf die Alpe d'Huez zu fahren: man weckt gewisse Erwartungen beim Publikum, schliesslich sind dies keine Mauerblümchen-Titel, die man vor dem Vergessen bewahren sollte. Auf dem vorliegenden Album scheinen mir How Long Blues, Nobody Knows You when You're Down and Out, Before You Accuse Me und Hoochie Coochie Man an den bekannten Versionen von Eric Clapton angelehnt. Bei Hoochie Coochie Man würde ich den Versuch attestieren, Claptons elektrische Fassung von From of the Cradle als «unplugged»-Fassung zu spielen. Damit lässt die Zusammenstellung der Titel etwas an Abwechslungsreichtum vermissen. Was die beiden Eigenkompositionen angeht, so sind dies gefällige Popsongs mit einem Schuss Soul, bzw. Country, aber bei beiden handelt es sich nicht entfernt um Blues-Songs. Die Gospel-Titel sind schön, und sie sind konventionell realisiert: akustische Gitarrenbegleitung und Bass. Damit bleiben von 12 Titeln sieben Blues-Songs: neben den vier an Clapton angelehnten Titeln B.B. Kings Grammy-nominierter Thrill is Gone und Muddy Waters Got My Mojo Working. Auch bei einem Cover dieser Gassenhauer muss die Frage erlaubt sein, was eine weitere Interpretation gemäss der gängigen Standardversion bringen kann. Erfrischend ist hingegen der letzte Titel, ein Blues/Swamp Rock Out of the Rain von Tony Joe White, der auch die bekannteren Titel Polk Salad Annie und Rainy Night in Georgia schrieb. Der Titel - mit 6:48 der längste der CD - scheint ein echtes Anliegen gewesen zu sein, und das Cover macht wieder Appetit auf das Country-Original mit Jessi Coulter und Waylon Jennings (auf dem Album Out of the Ashes).
Die Auswahl der Tracks widerspiegelt also in erster Linie die musikalische Vielfalt Zwahlens, die sich in vielen Stilen heimisch fühlt. Für ihre Solo-CD hat Irene Zwahlen nun eine gute und einfühlsame Band zusammengestellt, die sie sehr abwechslungsreich begleitet. Insbesondere die Geigenpassagen Chris Habeggers sind stimmungsvoll. Die Frontfrau selbst verfügt über eine schöne tiefe Stimme, die mit geschultem Gesang glänzt. Die Stimme erinnert in Timbre und Spannung an Marlene Dietrich und die Bernerin verfügt unzweifelhaft über ein eingeübtes musikalisches Gefühl. Gleichwohl fetzt die CD leider auch bei wiederholtem Anhören irgendwie nicht so richtig.
Es kam bei mir als Rezensenten nicht so richtig ein Gefühl von Blues auf, dafür sind die Songs zu beliebig zusammengestellt. Was den Genuss darüber hinaus stark trübt, ist die überdeutliche Schweizer Sprechfärbung im Englischen. Zwahlens Akzent ist manchmal überdeutlich, so klingt in der Zeile «Come Back Home Baby, try my love one more time» von Before You Accuse Me «love» mehr wie «laugh». Auch beim Refrain fragt man sich, ob sie wohl «Before you accuse me, take a look out yourself» singt statt «look at yourself». Bei Jimmy Reeds Klassiker macht sie aus der Zeile «You got me peeping» durch Kürzung des Vokals so etwas wie «You got me pippin'», und leider ist das manchmal unfreiwillig komisch. Bei Hoochie Coochie Man sind viele Vokale über Gebühr gedehnt «The gipsy woman told my mooother». Und auch wenn die Begleitung sehr geschmackvoll mit einem Kontrabass daherkommt, so ist nicht zu verstehen, wieso Zwahlen ausgerechnet die Liedzeile «Gonna make pretty womens» so intensiv betont, wie sie es tut. Ihre Versionen dieser Lieder erinnern somit stets an jemanden, der in einer Cocktail-Bar zur Begleitung eines Pianisten singt, und der gängige Titel covert, weil diese vom Publikum wieder erkannt werden. Ihr Gesang erinnert nicht an den eines Bluesman, der sich seinen Schmerz und seiner Frustration von der Seele singen will, und dadurch verlieren die Stücke jene Authentizität, die sie glaubhaft und damit relevant machen. Wenn die Zeitung Blick Zwahlen am 09.12.08 auch attestierte, «die wohl tiefste Blues Stimme der Schweiz» zu haben, so muss doch die Frage erlaubt sein, ob diese Stimme im Blues erfolgversprechend eingesetzt ist.
Was wirklich gut gefällt, sind nämlich die beiden Gospel-Songs. Die vom Cello begleitete Gospel-Ballade I Want Jesus to Walk With Me ist ebenso wie das etwas nach Country klingende Jesus on the Mainline ist gefällig. Vielleicht sollte ein weiteres Projekt für eine nächste CD weniger versuchen, die Anstrengung auf sich zu nehmen, Blues-Covers zu erarbeiten und sich stärker auf die Sparten Country und Gospel konzentrieren. Vielleicht ist für Zwahlens Stimme und auch Band Gospel besser geeignet als die Musik des Teufels. Wer Frau Zwahlen gerne live hören möchte, kann auf ihrer Homepage das Datum für ihren nächsten Auftritt herausfinden.
Irene Zwahlen Back to Bümpliz, 2009
- Black Day
- How Long Blues
- The Thrill I Gone
- I Got My Mojo Working
- Nobody Knows You when You're Down and Out
- Baby What You Want me to Do
- I Want Jesus to Walk With Me
- Before You Accuse Me
- Jesus on the Mainline
- Hoochie Coochie Man
- Back to Bümpliz
- Out of the Rain
Irene Zwahlen, Voc
Chris Habegger, Geige Mandolin usw.
Daniel Zehnder, Piano
Dave Kobrehel, Drum
Bruce Reynolds, el guitar
Black Pac, Rap