Geschrieben von Rolf Winter am .

Philipp Fankhauser - Home

Solides Handwerk

Home is where your story begins, hae ich mal auf einem Sofakissen gelesen. Home heisst das neue Album von Philipp Fankhauser, das am 10. Oktober 2014 erschienen ist. Bereits auf der 1995 herausgegebenen CD On Broadway hat ihn das Thema Zuhause schon beschäftigt. I’m leaving home but I’m going home sang er damals. Es war die Zeit, als er Johnny Copelands Einladung in die USA gefolgt war und mit ihm als Gastmusiker tourte. Zuhause - so fand er damals, muss da sein, wo alles begann, also an den Hotspots der Bluesszene. Er würde sozusagen nach Hause gehen, indem er sein Zuhause verliess. Der frühe Tod seines Freundes und Mentors brachte alle Pläne durcheinander. Für Fankhausers persönliche und musikalische Entwicklung waren die Jahre zwar erfolgreich, aber die wirtschaftliche Situation zwang ihn, sich mit allerlei bluesfernen Arbeiten durchzuschlagen. Man kann es auch so sehen: er hat den Blues gesucht und der Blues hat ihn gefunden. Irgendwann akzeptierte er, dass er immer ein Bluesmusiker aus Thun bleiben würde, wie lange er sich auch immer im Geburtsland des Blues aufhalten sollte und er kehrte zurück in die Schweiz. Er spielte zunächst mit dem Gedanken, seine Karriere an den Nagel zu hängen, entschloss sich zum Glück aber anders. Er hatte erneut das Zuhause vertauscht. Nun ging es steil aufwärts. Home is where your story begins, wie wahr!

Rund zwanzig Jahre später stellt er fest: Home is where the heart is, I guess in most cases that is true. My home is where the Blues are, and that my friend is true. So steht es im Klappentext des neuen Albums. Der Blues ist überall, also spielt es gar keine Rolle, wo man lebt. Es ist aber wohl auch ein Bekenntnis zur Vielfalt des Blues. Die CD enthält vierzehn Songs, davon fünf vom unvergesslichen Johnny Copeland, je einen von Tony Joe White, Harlan Howard und Cornelius Green. Die übrigen stammen aus der Feder von Philipp Fankhauser, Marco Jencarelli und Richard Spooner, oder sind ein Gemeinschaftswerk der ganzen Band. Produziert wurde das Album im Soundfarm Studio von Marco Jencarelli und Michael Boesiger, das in den vergangenen zehn Jahren durch qualitativ hochstehende Alben verschiedener Musiker aufgefallen ist. Heraus gekommen ist ein feines Stück Arbeit, ein abwechslungsreiches Album mit Songs, die […] wir schon immer mal aufnehmen wollten. Die meisten davon sind Titel, die man nicht gleich an jeder Ecke hört.

Die Band mit der Stammbesetzung aus Marco Jencarelli, g; Hendrix Ackle, p, Hammond A100; Angus Thomas, b; Richard Spooner, dr; Luis Conte, perc; wird unterstützt durch die A-Team Horns (Lukas Thoeni, tp, flh; Till Grünewald, as und Thomi Geiger, ts). Über die Einzelleistung der Musiker will ich mich nicht in jedem Song äussern. Sie spielen ausnahmslos und durch das gesamte Album makellos, im Dienst der rundum perfekten Arrangements. Die A-Team Horns sorgen für den nötigen Wind in den R&B Songs und hüllen die Soulnummern in die gewünschte Gefühlswolke. Fankhauser singt grossartig, trifft die Gefühle punktgenau. So reiht sich ein wunderbarer Song an den nächsten, man nimmt das Ende der CD unwillig zur Kenntnis – und spielt sie nochmal.

In Home versucht Philipp Fankhauser, so steht im Klappentext weiter, die Essenz des Live Erlebnisses im Studio nachzustellen und die ganze Energie eines Bühnenauftritts zu erzeugen. Ist das gelungen? Was ist die Essenz des Live Erlebnisses? Es dürfte ohne Zweifel die Anwesenheit von Publikum und seine Wechselwirkung mit den Musikern sein. Das kann man in keinem Studio nachvollziehen und das ist auch gut so, denn sonst würden vielleicht die Konzerte weniger besucht. Technisch betrachtet ist jedoch das Album nahe am Live Erlebnis. Die «Energie des Bühnenauftritts» ist da und der Klang ist glasklar und hat Breite und Tiefe.

Johnny Copelands Daily Bread aus dem Jahre 1971 eröffnet das Album. Kluge Wahl. Der Song erinnert mit seiner melodischen Schlichtheit an die Anfänge des Blues. Fankhauser begleitet sich mit sparsamstem Gitarrenspiel und singt vom Kampf um das tägliche Brot. Es gelingt ihm, die Mischung aus Mühsal, Resignation und Eintönigkeit des Songs intensiver zu singen, als Copeland selbst.

Nach diesem ruhigen Auftakt kommt druckvoller R&B mit I Learned My Lesson und Nobody But You, beide ebenfalls von Johnny Copeland. Zwei feine Titel, man kommt beim Ersten langsam in Fahrt, spätestens beim Zweiten sitzt man nicht mehr ruhig. Promised Myself ist dann Soul zum dahinschmelzen. Die romantische Rainy Night In Georgia stammt von Tony Joe White und istder zweite Titel des Komponisten, in dem er sich mit seiner Heimat befasst. Seine bekanntesten Titel sind Steamy Windows in der Version von Tina Turner, sowie Polk Salad Annie, von Elvis Presley erfolgreich gecovert. Der Song zaubert die wehmütige Stimmung einer einsamen Nacht herbei. Der Countrymusiker Harlan Howard schrieb nicht viele R&B Titel. The Chokin‘ Kind ist einer davon. Joe Simons erreichte mit dem Song über eine einengende Liebe 1969 den Platz 1 der R&B Charts. Fankhausers Version klingt frischer als das fast fünfzig Jahre alte Original, bewahrt aber dessen Stimmung. Eher wenig bekannt ist James Mack und dessen Once Is Not Enough.

Kompositionen des ganzen Teams sind die ruhig dahinfliessenden Songs I Love To Be Loved By You, sowieI Sing The Blues, dessen letzte Strophe die wohl kürzeste Beschreibung dessen enthält, worum es im Blues geht: «love, pain and joy». Auch der Titel gebende Song Home ist ein Gemeinschaftswerk der Band. Ein gemächlicher Song über die Umwege, die wir alle auf der Suche nach dem Glück beschreiten. Aus Hendrix Ackles Feder stammt das  fröhliche Liebeslied Sweet Sensations, ein Country Blues, der an Johnny Cash erinnert. Swampig wird‘s dann mit Louisiana Lover Man von Lonesome Sundown (Cornelius Greene). Der letzte Song ist wieder eine Komposition Johnny Copelands, Pie In The Sky. Er entlässt uns mit der Versicherung, auch die kühnsten Träume verwirklichen zu können, wenn wir uns ganz dafür einsetzen.

Das Album überzeugt. Sorgfältige Songauswahl, eine gut aufgelegte Band, makellose Arrangements, all das technische perfekt umgesetzt. Es wird in vielen Sammlungen Einzug halten. Mitte Dezember 2014 wird das Album ausser als CD auch in einer 180g Vinyl Album erscheinen. Über die besonderen Umstände der Aufnahme gibt es ein «Making Of» vom Schlagzeuger Richard Spooner.

Home (2014)
1 Daily Bread         2:39
2 Learned My Lesson        3:14
3 Nobody But You              4:17
4 Promised Myself             5:42
5 Rainy Night in Georgia  4:47
6 The Chokin’ Kind             4:26
7 Once Is Not Enough       4:43
8 I Sing The Blues                5:01
9 Sweet Sensations           3:20
10 Runnin’ In Circles            3:11
11 I Love To Be Loved By You          4:25
12 Louisiana Lover Man      3:49
13 Home   9:42
14 Pie In The Sky 3:33

 
Philipp Fankhauser: Vocals and Guitar
Marco Jencarelli: Guitar
Hendrix Ackle: Grand Piano and Hammond A 100
Richard Spooner: Drums
Angus Thomas: Bass
Till Grünewald: Alto Saxophone
Lukas Thoeni: Trumpet and Flügelhorn
Thomi Geiger: Tenor Saxophone
Luis Conte: Percussion

Website Philipp Fankhauser
Video «The Making of Home»

 

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