Skip to main content

Song Of The South Duane Allman and The Rise Of The Allman Brothers

Ein würdiges Denkma


Gründer und Anführer der Allman Brothers Band, Duane Allman verstarb zwar schon 1971 im beklagenswert jungen Alter von 24 Jahren, aber natürlich lebt die Band weiter, die er begründet hat. In den letzten Jahren wurde der einzigartige Slide-Gitarrist wieder populärer, was nicht nur die Versteigerung seines ikonischen Guitar Straps für US$15‘000 im Jahr 2003 belegt oder die Publikation von Tabulatur und Noten seiner wichtigsten Songs in 2009 (Duane Allman Guitar Anthology undA Step-by-Step Breakdown of His Guitar Styles and Techniques) und eines Play-Alongs im Jahr 2010. Diese wohlverdiente neuerliche Aufmerksamkeit für einen der kreativsten Köpfe des Blues, Bluesrock oder Southern Rock wurde von Regisseur Tom O’Dell nun einen Schritt weiter geführt mit der Publikation einer englischsprachigen und nicht untertitelten DVD im Jahr 2013, welche im Film Song Of The South - Duane Allman and The Rise Of The Allman Brothers die Biographie Duane Allmans und die ersten Jahre der Band minutiös nachzeichnet.

Der biographische Dokumentarfilm Song Of The South - Duane Allman and The Rise Of The Allman Brothers ist konventionell aufgezogen, indem er eine Mischung aus Erinnerung von Zeitzeugen und Originalaufnahmen bietet. Bemerkenswerterweise kommt kein Bandmitglied der Allman Brothers Band zu Wort – mit der bemerkenswerten Ausnahme von Duane Allman selbst, der im Jahr 1970 ein grösseres Interview gab, dessen auf Tonband aufgezeichnete Aufnahmen hier hin und wieder zitiert werden.

Tom O’Dell ist als Regisseur abonniert auf Rock-Dockumentaries, so zeichnete er unter anderem verantwortlich für The Rolling Stones : A Golden Age (2014), Nirvana : In Utero Under Review (2013). In Song Of The South wird bald deutlich, dass aus Sicht O’Dells nur die Allman Brothers der Jahre 1969 bis 1971 wirklich bedeutend waren. Der Film geht nicht nur nicht auf 40 Jahre ein, welche die Band seither bestand (wie an ihrer Jubiläumsfeier im Beacon Theater gerade zelebriert), er macht auch im Audio-Kommentar deutlich, dass die besten Jahre der Band jene waren, in denen Duane mitspielte. Diese Geringschätzung der späteren Band mag der Grund dafür sein, dass keiner der Bandmitglieder in dem Film zu hören ist. Namen wie Warren Haynes oder Derek Trucks werden in den über 2 Stunden auf jeden Fall nicht einmal erwähnt. Möglicherweise ist jemandem die Einseitigkeit der Darstellung und die Geringschätzung gegenüber der anderen Jahre unangenehm aufgestossen. Aber der Themenbereich wird in keiner Weise thematisiert.

Wenn man sich aber darauf einlässt, dass es hier vornehmlich um die Biographie Duane Allmans und sein Leben geht, dann ist dieser Film herausragend. Mit einer Dauer von 131 Minuten umfasst die auf der DVD erzählte Geschichte genügend Zeit, um auf den detailreichen Werdegang dieses Pioniers des Southern Rocks einzugehen. Die Schwerpunkte umfassen die Kindheit mit Bruder Gregg Allman, die ersten Bands The Escorts (1964), The Allman Joys (1965) und The Hour Glass (1967), seine Zeit als Studiomusiker für das «Fame»-Studio in Muslce Shoals, Alabama und schliesslich seine Gründung der Allman Brothers Band, sein Gastspiel mit Derek and the Dominos sowie sein vorzeitiger und tragischer Tod nach einem Motorradunfall.

Zu Wort kommen Pete Carr, Keyboarder bei The Hour Glass und ein Kenner der Musikszene im Südosten der USA, diesem Kernland der Konföderation, von den «Yankees», also den Nordstaaten als ewig rückständig und rassistisch wahrgenommen. Carr vermittelt eindrücklich, was es in den 1960er Jahren bedeutete, ein Mitglied der Gegenkultur zu sein, ein «Hippie», wie es der langhaarige, gesichtsbehaarte und Drogen konsumierende Duane Allman war. Weitere Mitglieder früher Bands, die zu Wort kommen sind David Hood und Jimmy Johnson sowie Paul Hornsby. Ausserdem ist Allman Brothers Road Manager Willie Perkins zu hören, dessen Statements aber weniger interessant schienen als jene der alten Weggefährten. Dazwischen gibt es immer auch Einschübe aus einem längeren Gespräch mit den Biographen Duanes, Scott Freeman und Randy Poe, ausserdem zu Wort kommen eine Reihe von Musikjournalisten wie Bud Scoppa vom Magazin Rolling Stone. Interessante Einblicke zu Entstehung der Gegenkultur kommen schliesslich von Mark Kemp, dem Autor der 2006 erschienen Studie Dixie Lullaby: A Story of Music, Race, and New Beginnings in a New South.

Was die Interviews deutlich machen ist, wie sehr es eine Neuerung war, als Musiker ihre Band in einem Ort gründen wollten, der ausserhalb der kulturellen Zentren New York, San Francisco oder Los Angeles lag. Deshalb auch der Titel Song Of The South. Duane Allman hatte seinen eigenen Kopf und seine ganz präzise Vorstellung, was er eigentlich wollte: Er suchte eine Band, die ihm als Ersatz für den Familienverband dienen konnte und sollte, und er wollte bestimmte Musiker drin haben wie Bassist Berry Oakley oder Schlagzeuger/Perkussionist Jaimoe Johanny Johanson. Der Film erzählt eindrücklich von der Gründungssession, bei der Reese Wynans an den Tasten sass, der aber später durch Gregg Allman ersetzt wurde, der ja auch die Gesangsparts übernahm und dessen Solo-Karriere in Kalifornien nicht richtig aus den Startlöchern gekommen war. Eine Kombination zweier Keyboarder hätte bedeutet, dass die Band nicht nur 2 Schlagzeuger und 2 Gitarristen gehabt hätte, sondern auch noch 2 Keyboarder, und das in siner Ära der Power-Trios und Quartette. Die Entscheidung, zwei Schlagzeuger in der Band zu haben geht darauf zurück, dass Berry Oakley nicht ohne Johanson spielen wollte, also wurde ein zweiter Schlagzeuger aufgenommen. Der Sound der Allman Brothers Band wird interessant beschrieben, als der Vergleich mit dem Jam-Stil der ebenfalls bereits sehr populären Grateful Dead gezogen wird. Die Jams haben zudem etwas sehr intimes, weil es den Allman Brothers nie gross auf die Show ankam (im Gegensatz etwas zu Led Zeppelin). Das schien mir ein guter Gedanke zu sein, der die bis heute zu spürende Sogkraft dieser Aufnahmen erklären kann. Man versteht auch, was das spezielle am Doppelalbum Live at the Filmore East war und ist.

Tom O’Dell und seine Gesprächspartner arbeiten auch deutlich heraus, wie wichtig die Zeit als Studiomusiker war, bei der Duane Allman mit Aretha Franklin, Wilson Pickett und King Curtis zusammen gearbeitet hat. Dabei geht der Film viel mehr auf die menschlich-persönliche Seite ein als auf die Gitarrentechnik oder die Feinheiten seines Slide-Spiels. Der Film richtet sich mithin an musikhistorisch interessierte Zuschauer und weniger an Musiker, die auf den Spuren Duane Allmans wandeln wollen. Der Film ist ein Denkmal für einen Gitarristen und Musiker, der die Südstaaten musikalisch aus der Country- und Hillbilly-Ecke holte und damit ein kulturelles Revival initiierte, das in der zweiten Hälfte der 1970er Jahren seine Früchte tragen sollte, als Southern Rock-Bands wie die Marshall Tucker Band, The Outlaws oder Charlie Daniels Band und schliesslich Lynrd Skynard in den Fusspuren der Allman Brothers ein neues Kapitel Musikgeschichte schrieben.