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Nobelpreis für Bob Dylan

Er sei ja in erster Linie Musiker und kein Literat, ausserdem sei sein Werk zu wenig umfangreich, so die am häufigsten genannten Vorbehalte. Das Preiskomitee liess sich dadurch nicht beirren und ehrte den Künstler für seine poetischen Neuschöpfungen in der grossen amerikanischen Songtradition.

Tatsächlich haben unzählige Fachleute Dylan schon immer eher bei den Poeten, als bei den Musikern eingeteilt. Natürlich hat er eine Menge grossartiger Lieder geschrieben, viele davon haben es ins kollektive Bewusstsein geschafft. Aber schon bei der Interpretation scheiden sich die Geister. Nicht wenige können mit seinem Gesang nicht viel anfangen und nicht umsonst entfalten einige seiner Songs erst als Coverversion ihre ganze musikalische Schönheit. Aber alle sind sich einig, dass sich in seinen Texten ein grossartiger Geschichtenerzähler zeigt.

Er liess sich bis heute nie instrumentalisieren. Obwohl er es verstand, die Aufbruchsstimmung der Sechzigerjahre in Songs zu giessen und dadurch zu einem Idol der Jugend und einer Gallionsfigur weltweiter Protestbewegungen zu werden, hat er sich seither immer wieder neu erfunden, teilweise zur grossen Enttäuschung seiner Fans. Das Publikum mag es gerne, wenn seine Idole sich kaum verändern und stets erkennbar repetieren, was Erfolg hatte. Diesen Gefallen hat Dylan seinen Bewunderern nie getan.

Gleich geblieben ist bei all seinen Verwandlungen eines: Er hat ein Gespür für die grossen Themen und Gefühle, die uns alle bewegen und weiss sie in beeindruckender Weise in kompakte Liedertexte zu verwandeln. Mit wenigen Zeilen, manchmal mit zwei, drei Worten lässt er Bilder entstehen, spielt mit der Sprache, gibt Rätsel auf, regt zum Nachdenken an. In über fünfhundert Songs hat er dies bewiesen. Nur wenige davon sind banal, die meisten haben Substanz.

So ist es müssig, darüber zu debattieren, ob es richtig ist, einem Musiker den Literatur Nobelpreis zu verleihen. Dylan war Musiker, aber eben auch Songwriter und hier liegt die Betonung auf «Writer». Dass  Texte gesungen vorgetragen werden, war schon in der Antike typisch und Homers Odyssee wird wohl trotzdem kaum einer in die Sparte «Musik» einordnen.  Freuen wir uns also, dass mit der Verleihung des Preises an Bob Dylan die oft abschätzig bezeichnete Popkultur endlich als das anerkannt wird, was sie ist: Ein Teil unserer aktuellen Kultur.