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Al Cook - Kein Platz für Johnny B. Goode

Blues als Rebellion gegen den Zeitgeist

AlCookKeinPlatzFuerJohnnyBGoodeCover«Die sensationellste und schillerndste Musikerbiographie des Jahrzehnts. Bewegend, ergreifend, kontroversiell und streckenweise sarkastisch provokant. Kompromisslos und polarisierend wie er selbst. Die gesellschaftskritische Abrechnung eines unbequemen Individualisten mit dem Zeitgeist.»

So beginnt der Werbetext für die kürzlich erschienene Biographie des Doyens der österreichischen Bluesszene, Al Cook. Es ist mit fast 800 Seiten ein grosses Werk geworden, etwa vom gleichen Kaliber, wie die Biographie von Keith Richards. Wo diese sich aber zu einem viel zu grossen Teil in Eigenlob und Prahlereien über exzessiven Drogenkonsum und Sex, pubertären Schwanzvergleichen und Beschimpfungen erschöpft und spätestens nach einem Drittel langweilt, zeichnet Cook ein abwechslungsreiches Bild seines Lebens, mit all seinen Hoffnungen und Enttäuschungen, Siegen und Niederlagen und schildert darüber hinaus sehr farbig die gesellschaftliche Entwicklung im Allgemeinen und der österreichischen im Besonderen. Damit bleibt die Biographie bis zur letzten Seite interessant und spannend.

Es ist ein bemerkenswertes Buch geworden. Das hat hauptsächlich zwei Gründe: Erstens, geht Cook den Dingen auch im Detail auf den Grund und betrachtet sie nüchtern. Das heisst nicht, dass ihm Leidenschaft fehlt, im Gegenteil. Aber seine Erzählungen wirken dadurch glaubhaft. Alle Schilderungen, die ich kenne (ich bin so alt, wie er), stimmen mit meiner persönlichen Erfahrung überein. Das heisst nicht, dass man seine Einschätzungen grundsätzlich teilen muss, aber die Fakten stimmen. Zweitens breitet er sein Leben in einer Offenheit vor dem Leser aus, die beeindruckt. Er hat entweder Tagebuch geführt, oder ist mit einem fotografischen Gedächtnis gesegnet. Er schont niemanden, am wenigsten sich selbst.

Das Buch ist nicht chronologisch aufgebaut. Natürlich zieht sich der rote Faden des eigentlichen, biographischen Inhalts entlang der Zeit durch den Text. Aber immer wieder wird er unterbrochen durch eine kleine Geschichte, eine Betrachtung, ein Erlebnis, eine Meinung. Das macht das doch umfangreiche Buch abwechslungsreich.

Die Biographie bietet Bluesliebhabern, aber auch Musikern einen Blick hinter die Kulissen. Sie gibt Einblick ins Leben eines Mannes, der seine ganz persönliche künstlerische Vorstellung umzusetzen versucht, ohne sich den Zwängen zu beugen, die von vielen Seiten auf ihn einwirken und in die Welt derer, welche die Zwänge auslösen. Cook ist ein Stück europäische Bluesgeschichte und für die Verbreitung des Blues in Europa von grosser Bedeutung.

Al Cook ist merkwürdigerweise auch bei gut informierten Bluesfreunden und -kennern hierzulande nicht so bekannt, wie er eigentlich sein sollte. Als der Blues begann, sich in Europa auszubreiten, geschah dies in den verschiedenen Ländern natürlich auf unterschiedliche Weise und in verschiedenem Tempo. Überall aber brauchte es Musiker, die sich dafür engagierten und die Musik auf die einheimischen Bühnen brachten. Die meisten blieben an der Oberfläche, andere erschöpften sich in einer mehr oder weniger gelungenen Imitation der Vorbilder, viele verrannten sich im Kommerz oder verglühten nach ganz kurzer Zeit, aber einige wenige wollten mehr wissen, beschäftigten sich ernsthaft damit und wurden so die wirklichen Pioniere, die sich getrauten, auch gegen die Widerstände die Neues nun mal erzeugt, kompromisslos und ohne Zugeständnisse dieses Stück amerikanische Kultur zu verbreiten. In Österreich war dies ohne Zweifel Al Cook. In seiner Biographie beschreibt er den langen und steilen Weg, den er gehen musste, weil er nie bereit war, sich den so genannten musikalischen, gesellschaftlichen und kommerziellen Zwängen anzupassen. So ist es nur konsequent, dass er das Buch ohne Hilfe eines Ghostwriters geschrieben hat.

Als Titel wählte Cook die Figur aus dem gleichnamigen Song, den Chuck Berry 1955 geschrieben hatte. Es ist einer der ganz frühen Rock’n’Roll Titel und handelt vom armen Jungen, der es dank seines Talents vom Blockhaus in den Wäldern Louisianas in die grossen Konzertsäle schaffte, obwohl er kaum lesen und schreiben konnte. Chuck Berry komponierte den Song für Johnnie Johnson, beschrieb darin jedoch nach eigenem Bekunden sich selbst. Der Song erlangte dadurch ausserhalb der Szene Berühmtheit, dass er auf den Voyager Golden Records verewigt ist, die mit zwei interstellaren Raumsonden 1977 in den Weltraum geschickt worden waren. Chuck Berry hat es schliesslich auch geschafft, er war ein Pionier des Genres, wurde weltberühmt und wurde als erster in die Rock’n’Roll Hall Of Fame aufgenommen. Al Cook sieht diesen Johnny als Metapher für sein Leben, mit dem Unterschied, dass er es nicht geschafft hat - ja gar nicht schaffen konnte, dessen Berühmtheit zu erlangen.

Der Leser erhält Einblicke in die Musikszene hinter den Kulissen, zeigt, wo, warum und wie das Konglomerat aus Musikprofis über Wohl und Wehe von MusikerInnen entscheidet, besonders, wenn diese sich störrisch geben und darauf beharren, ihre persönliche, künstlerische Vision umsetzen zu wollen. Grossen Raum nimmt sein persönliches Schicksal ein das er berührend und detailliert schildert, sodass man sich ein Bild davon machen kann, wer Al Cook ist.

Es ist aber auch ein Dokument der Ernüchterung und der Abrechnung mit der österreichischen, speziell der wienerischen Musikszene, dem Publikum, den Veranstaltern, den Plattenproduzenten, dem Zeitgeist, den musikalischen Modeströmungen und auch seinen Musikerkollegen. Diese Teile der Biographie sind meist in sarkastischem Ton geschrieben. Für Ereignisse und Personen, die ihm missfallen, oder die für schlechte Erfahrungen verantwortlich sind, wählt er dabei oft eine deftige, dafür aber klare Sprache, manchmal für mein Empfinden des Guten Zuviel.

Die Biographie ist in fünf Bücher unterteilt, die wir hier kurz beschreiben.

Das erste Buch beschreibt seine Herkunft und seine Kindheit bis zum Beginn der Adoleszenz. Er schildert die Herkunft seiner Familie und ihre Charaktere, die frühen Erinnerungen an Schule und Elternhaus, seine Erlebnisse im Kinderheim.

Al Cook kam als Alois Kurt Koch in den Wirren des untergehenden dritten Reiches am 27. Februar 1945 im oberösterreichischen Kurort Bad Ischl zur Welt, wuchs aber in Wien im Bezirk Landstrasse auf. Sein Vater, gelernter Schlosser, arbeitete als Gemeindeangestellter. Koch erinnert sich an ihn als eher groben und autoritären Mann, dessen Erziehungsstil er mit dem Begriff «Zuckerbrot und Ohrfeigen» beschreibt. Er schildert seine Jugend als weitgehend freudlose Episode in einem Umfeld, das mit einem sensiblen, phantasiebegabten und intellektuell neugierigen Kind nichts anzufangen wusste. Er erlebte früh Ablehnung und fand weder zuhause noch im weiteren Umfeld Unterstützung für seine Träume und Wünsche. Er wollte eigentlich Astrophysiker werden, wurde aber in eine Lehre als Feinmechaniker in einer Minenzünderfabrik gesteckt, wo er als Sonderling wahrgenommen wurde. In dieser Zeit hatte er zwei musikalische Begegnungen, die jedoch nicht Auslöser für seine Karriere als Musiker waren: Als Sieben- oder Achtjähriger hörte er, wie ein schwarzer Soldat in einem Besatzungscafé Boogie-Woogie auf dem Klavier spielte und als Elfjähriger machte ihm Chuck Berry im Radio mit Maybelline einen so grossen Eindruck, dass er sich dessen Name notierte.

In dieser Phase seines Lebens spielt die Musik noch keine Rolle, jedoch schildert Cook treffend die politische und gesellschaftliche Stimmung im Österreich der Nachkriegszeit, die noch deutlich geprägt war von den Jahren des Nationalsozialismus. Es ist aber ein Sittengemälde, das die damaligen Vorstellungen von Gesellschaft, Hierarchie, Erziehung, Kultur und Moral weit über Österreich hinaus treffend beschreibt. Lesern in seinem Alter dürften viele Schilderungen Cooks bekannt vorkommen. Als Beispiel sei zitiert, dass «. . . Brillenträger und Linkshänder noch als Halbbehinderte und Idioten angesehen [wurden]. . .»

Zwischen den chronologischen Schilderungen seiner Vita streut er seine Ansichten über die Entwicklung der Popmusik in den Sechzigerjahren ein, vom Aufstieg der Beatles, der Rolling Stones und der gesamten britischen Szene und dem Untergang des klassischen Rock’n’Rolls bis zum Ausbrechen der Flower Power Bewegung, hinter der er bis heute eine Verschwörung vermutet. Diese auflockernden und durchwegs interessanten Bemerkungen begleiten auch die anderen 4 Bücher.

Im zweiten Buch geht es um die Anfänge als Musiker, um seine ersten Auftritte und um die Verwandlung von Alois Koch in Al Cook. In dieser Zeit fallen auch die Enttäuschung über die Entwicklung der populären Musik, insbesondere des archaischen Rock’n’Rolls und eine prägende Begegnung mit dem Blues.

Es war Elvis Presleys zweiter Film, «Gold aus heisser Kehle» (Originaltitel: «Loving You»), dessen Protagonist Deke Rivers gegen seine Einsamkeit kämpfte und auf der Suche nach Anerkennung war, die er auf der Bühne fand. Die Figur und die Musik beeindruckten ihn so sehr, dass er sich alles ansah und -hörte, was er über Elvis finden konnte. Drei Jahre lang befasste er sich mit Elvis und «. . .analysierte wirklich jeden Furz, den er von sich gab». Schliesslich verwandelte er sich auch äusserlich, liess sich Koteletten wachsen und kleidete sich mit Jeansjacke und Cowboystiefeln, was jedoch seinen Status als Sonderling eher beförderten, als dass er die erwartete Anerkennung fand.

Hier ist etwas sehr Wichtiges zu bemerken: Besonders, wenn man ältere Bilder von Al Cook sieht, ist es unübersehbar, dass er dem frühen Elvis Presley ähnelt. Dieses äusserliche Image pflegt er im Grunde genommen bis heute. Er hat aber Presleys seltsame Garderobe seiner späteren Jahre nie nachvollzogen, im Gegenteil, er lehnte sie sogar ab. Dass Presley selbst seine Frisur an derjenigen von Tony Curtis ausrichtete und deshalb auch seine Haare schwarz färbte, wird gerne vergessen und man spricht von der «Elvis-Tolle».

Jedenfalls könnte man den Eindruck gewinnen, Al Cook sei ein Elvis Imitator. Das mag für seine allerersten Schritte in seiner Karriere zutreffend gewesen sein, ist aber dennoch vollkommen falsch, zumal er die Musik, für die der King spätestens nach seiner Militärzeit stand, ablehnte und er sich schweren Herzens von seinem Idol abwandte, als dieses sich von der Musikindustrie einnehmen liess. Auch die Tatsache, dass er schon früh eigene Songs im Stil der alten Meister komponierte, beweist dies.

Vielmehr verkörpert er eine Epoche und dokumentiert dies mit seinem Aussehen, das sich an den Vorbildern dieser Epoche orientiert und die Tradition des «Gut gekleideten Gentlemans aus dem Süden» fortsetzt. Zu jener Zeit wäre es keinem Künstler eingefallen, sich in «Freizeitkleidung» auf die Bühne zu wagen.

Seinen allerersten Auftritt hatte er auf einem Betriebsfest. Da er noch kein Instrument spielen konnte, legte er eine perfekte, lippensynchrone Playbackversion zum Mean Woman Blues aus der zufällig vorhandenen Musikbox hin, erntete aber nur höflichen Applaus.

1963 kaufte er eine Gitarre und brachte sich innerhalb eines Jahres sämtliche Elvis-Titel bei. Am 17. Oktober 1964 gab er schliesslich mit Al Shook Up sein Debut an einem bunten Abend mit Musik, organisiert von der örtlichen Sektion der SPÖ. Es war ein Desaster, weil das Publikum eher Jodler oder Schlager erwartete als Rock’n’Roll. Immerhin war es noch die Zeit, in der Schlagersänger wie Vico Torriani, Freddy Quinn, Gerhard Wendland oder Peter Alexander den Ton angaben, auch wenn das Zenit ihrer Dominanz überschritten war. Trotzdem hatte Cook seinen Platz gefunden: die Bühne.

Inzwischen hatte jedoch Elvis seinen Militärdienst absolviert und wurde von der Musikindustrie neu und vor allem anders positioniert und bot das Bild eines «kastrierten Schmusesängers, der nun bar jeder Koteletten und brav auf clean gestylt, plötzlich ‘O Sole Mio’ sang. . .» Die klassische Rock’n’Roll Ära war schon vorbei, als Cook sie eben erst entdeckt hatte. Davon bekam er aber erstmal nichts mit, weil zu jener Zeit alle Veränderungen, die jenseits des Atlantik geschahen, erst mit grosser Verzögerung in Europa ankamen. Als er es realisierte machte er «. . .mit Elvis Schluss und behielt ihn nur als SUN Recording Star. . .in Erinnerung».

Schliesslich erkannte er, dass seine Karriere als Rockmusiker zu Ende war, bevor sie richtig begonnen hatte. Zu diesem Zeitpunkt hatte er eine Begegnung mit einem Nachbarn, der ihm den Deltablues der alten Meister wie Big Bill Broonzy, Blind Lemon Jefferson, Charley Patton oder Son House nahebrachte. Es war ein Erweckungserlebnis und die eigentliche Geburtsstunde des Pioniers des Blues in Österreich: Al Cook. Er übte ein Jahr lang eine Musik, bei der niemand ihn unterstützen konnte, weil sie ausser ihm niemand beherrschte und praktizierte.

Nun machte er sich daran, sein neu erworbenes Können umzusetzen und ging zunächst den Weg des Amateurmusikers. Tagsüber arbeitete er und versuchte in der Freizeit Auftritte, gründete eine Band, die sich kurz darauf auflöste und hatte schliesslich Ende der Sechzigerjahre erste Erfolge, spielte 1970 seine erste Platte ein: Working Man Blues. Sie wurde kaum verkauft. 1973 wagte er den Sprung ins Profilager. Ein Jahr später hatte er es geschafft.  Bis 1977 nahm seine Bekanntheit stetig zu und er wurde, was er immer wollte: populär. Er hatte Auftritte, er wurde zu einer Kultfigur, man nannte ihn White King Of Black Blues. In dieser Zeit verlor er zunächst seine Mutter, dann seinen Vater.

Das dritte Buch schildert Cooks erfolgreichste Jahre. Er lernt seine grosse Liebe kennen und feiert grosse Erfolge. Allerdings entfernt er sich vom Blues und lebt das Leben eines Rockstars, mit samt allen Höhepunkten und Schattenseiten, Trinkexzessen und Wutausbrüchen, kreischendem Publikum und Groupies. Endlich wird der Traum einer Bühnenkarriere wahr. Endlich geschieht, wovon er geträumt hatte, seit er damals im Kino Deke Rivers gesehen hatte. Nun ist er Johnny B. Goode. Auf dem Höhepunkt des Erfolges besinnt er sich aber dank seiner Frau darauf, was er ursprünglich sein wollte: ein seriöser Bluesmusiker. Er erkennt, dass er als gefeierter Rockstar im Grunde genommen etwas nachholen wollte, was ihm in der Jugend nicht vergönnt gewesen war und dass dies ja gar nicht möglich ist. Er findet zum Blues zurück.

Einen grossen Teil widmet er seiner zweiten Lebensgefährtin Silvia, die ihn nicht nur aus seinem moralischen Tief herausholte, in das er nach dem Tod seines Vaters gefallen war, sondern zusehends auch den kaufmännischen Teil des Musikgeschäfts übernahm.  Sie war in jeder Hinsicht die perfekte Ergänzung Cooks.

Durch ein Revival des Rock’n’Rolls nach Elvis’ Tod wurde Cook inspiriert, es erneut damit zu versuchen und er wollte eine erste, eigene Single produzieren, die « Hound Dog» und Cooks eigenen Titel «Rock Me, Baby» enthalten sollte, fand jedoch kein Interesse bei den Plattenfirmen. Auch eine Minitournee mit Bill Haley und seinen Comets hatte keinen Erfolg, zumal Haley nicht mehr auf der Höhe seiner Form war.

Der Zufall brachte ihn in Kontakt mit Mike Jerry und Harry Hudson, die in einer Tanzband spielten. Es gab ein spontanes, musikalisches Verständnis unter den drei Musikern. Aus dieser Begegnung wurde das Rockabilly Trio Al Cook with Harry and Mike. Im Papas Tapas, einem Wiener Szenelokal, gaben sie im Oktober 1983 ihren ersten Gig und es war ein überwältigender Erfolg. Im Anschluss daran standen dem Trio alle Türen offen, es konnte gar nicht alle Angebote annehmen und sogar das Fernsehen lud ihn zu einer Fifties Sendung ein, später gab es regelmässige Auftritte. Die Presse berichtete ganzseitig. Die Gruppe stiess sogar eine Rockabilly-Welle in Österreich an. Der Erfolg hielt bis zum Ende der Achtzigerjahre an und wäre wohl in dieser Form noch länger weitergegangen, hätte ihm nicht seine Partnerin klargemacht, dass er sich vom sensiblen und ernsthaften Künstler zum Kotzbrocken entwickelt hatte, der dabei war, seine Ideale über Bord zu werfen. Ein rassistischer Kommentar eines Zuhörers während eines Konzertes war dann der endgültige Anstoss, diese Episode abzuschliessen und sich wieder dem Blues zuzuwenden.

Die Band war alles andere als begeistert, denn sie genossen den Rummel und den Erfolg. Cook fürchtete, dass die beiden abspringen würden und machte sich Gedanken über einen neuen Begleiter, als ihm der Pianist Charly Hloch (später Charlie Lloyd) über den Weg lief. Die beiden verstanden sich auf Anhieb und Hloch wurde das vierte Mitglied der Band.

Inzwischen stand Cook ein Vierteljahrhundert auf den Brettern und fand es angebracht, sein Bühnenjubiläum angemessen zu feiern. Neben einer Doppel LP sollte es ein grosser Konzertabend werden und er begann, Leute zusammen zu trommeln für «die grösste Bluesshow aller Zeiten». Es gelang ihm, einen einmaligen Anlass auf die Beine zu stellen, der die grössten Stars der damaligen Bluesszene in einem einzigen Konzert auf die Bühne zu bringen. Schon der Vorverkauf lief blendend, in zwei Wochen war das Jubiläumskonzert ausverkauft und dauerte bis in die frühen Morgenstunden.

Im vierten Buch schildert Cook seine definitive Rückkehr zum Blues. Die Veränderungen in den Medien, die sich zusehends an den kommerziellen Interessen der Popkultur ausrichten, haben zur Folge, dass es noch schwieriger wird, sich als Vertreter eines nicht auf den Massenkonsum ausgerichteten Musikstils zu behaupten. Seine Lebensgefährtin erkrankt und er verliert sie viel zu früh.

Alle europäischen Sender hatten anfangs der Siebzigerjahre dritte Programme eingeführt. Lange Zeit waren dies progressive, hauptsächlich auf junge Hörer ausgerichtete Sender, die viel Raum für Minderheiten liessen. Kreative Moderatoren mit viel Sachkenntnis füllten attraktive Sendegefässe mit Musik jenseits der Hitparaden, die in den ersten und zweiten Programmen kaum zu hören war. In Österreich war dies Ö3, vergleichbar etwa mit DRS3 oder N3, BR3 und SWR3. Letzterer hiess damals noch SWF3 und schrieb mit dem Jugendmagazin «Pop Shop» des grossartigen Frank Laufenberg Radiogeschichte. In dieser Sendung hatte Musik Platz, die man sonst nirgendwo hören konnte. Ausserdem stellte er die Musik in einen musikgeschichtlichen Kontext. Ende der Neunzigerjahre wurden diese Programme komplett umgekrempelt und in sogenannte Serviceradios umgewandelt, welche bis heute weitgehend als Speerspitze der kommerziellen Popkultur die Titel der Hitparaden rauf- und runterdudeln, unterbrochen von Verkehrsdurchsagen und uninteressantem Geplauder mit den Hörern. Tatsächlich bemerkt man beim Zuhören dieser deutschsprachigen dritten Programme kaum einen Unterschied.

Cook entschied sich, «. . .aus dem Lärm elektrischer Rock’n’Roll Gitarren wieder heim nach Alabama, in die schlichte Einfachheit des Blues» zu kehren. Er griff einen Slogan auf, den ein Musikjournalist in den Siebzigern kreiert hatte: «The White King Of Black Blues». Obwohl er den Titel für etwas provokant hielt, beschloss er ihn zu verwenden.

Eine der ersten Gigs verschlug ihn nach Berlin, wo er drei Konzerte gab und auch in einer Reportage des deutschen Fernsehens mitwirkte. Es war ein nur mässiger Erfolg und mit den erhofften Anschlussgigs in Deutschland wurde es auch nichts. Dafür bahnte sich eine Zusammenarbeit mit Wolf Records an und dessen Herausgeber, Hannes Folterbauer, gab ihm die künstlerische Freiheit, die er sich immer gewünscht hatte. Als erstes Resultat dieser Zusammenarbeit entstand 1993 Cooks erste, selbstproduzierte CD: Victrola Blues, die auch jenseits des Atlantiks wohlwollend aufgenommen wurde. Nach dieser Produktion verliess Mike Jerry die Band, weil er in die USA auswanderte.

Eine Tournee durch die Schweiz führte ihn nach Gstaad, Basel, Zürich und von der Welschschweiz bis nach St, Gallen. Cook beschreibt die Auftritte als solala, den In Basel als Desaster mit einem Publikum aus Banausen, wobei zur Verteidigung zu sagen wäre, dass der Titel «Spaghetti und Jazz» ja eigentlich schon misstrauisch hätte machen können. Wahrscheinlich waren die meisten Gäste wegen des Essens gekommen. . .

Zu Cooks fünfzigstem Geburtstag sollte eine neue CD erscheinen, mit dem neuen Slogan als Titel: The White King Of Black Blues. Sie wurde in den USA kontrovers aufgenommen. Während das eine Magazin das Album verriss, stufte es ein anderes als «Must have» für seriöse Bluesfans bezeichnete. Im Weiteren war eine Geburtstagsshow geplant, die erneut Bluesprominenz auf die Bühne brachte und vor ausverkauftem Haus ein grosser Erfolg war. 2006 wurde er mit dem «Goldenen Verdienstzeichen des Landes Wien» ausgezeichnet.

In diese Zeit fällt der Beginn des Leidenswegs seiner Lebensgefährtin, der bis zu ihrem Tod 2008 dauern sollte. Cook schiebt die Verantwortung zum unglücklichen Verlauf ihres Leidens in erster Linie dem Versagen des Gesundheitssystems zu.

Im fünften Buch geht es um eine Neuorientierung. Mit Silvias Tod geht auch die Epoche des White King Of Black Blues zu Ende und Cook muss sich neu erfinden. Das fünfundvierzigste Bühnenjubiläum steht vor der Tür. Cook fehlen nach dem Verlust seiner Lebensgefährtin Kraft und Antrieb. Zum Glück tritt eine Jugendfreundin erneut in sein Leben und kann ihm den nötigen Schub für einen Neustart geben. Al Cook – Pioneer and Legend, so lautet der neue Slogan, der für das nächste Kapitel in Cooks Biographie steht.

Natürlich erschütterte der Schicksalsschlag Cook in seinen Grundfesten. Mit Silvia war die Frau an seiner Seite von ihm gegangen, die nicht nur Gefährtin und Muse war, sondern auch die Geschäftspartnerin, die all die Dinge so wunderbar regeln konnte, für die er selbst nur wenig Talent hat. Sie war es, die ihm den Rücken freihielt, sodass er sich auf seine Karriere konzentrieren konnte. Sie war auch die treibende Kraft, die ihn auf den Pfad des Bluesmusikers zurückgebracht hatte. So wundert es nicht, dass er in eine Phase der lethargischen Passivität fiel.

Wieder war es eine Frau, die ihn aus seinem Tief herausholte. Brigitte, eine Jugendfreundin, die «. . . eigentlich übergangslos in mein Leben trat und sich nach Kräften bemühte, damit mein Uhrwerk nicht zum Stillstand kam.» Daneben spürte er eine Verpflichtung gegenüber seinen Musikern, Freunden und Fans, weiter zu machen.

So produzierte er für Wolf Records eine CD, die anlässlich seines 45. Bühnenjubiläums herauskommen würde und dazu mit einer grossen Jubiläumsshow im Metropol gefeiert werden sollte. Dafür gelang es ihm die Originalbesetzung mit Mike Jerry, Charlie Lloyd und Harry Hudson auf die Beine zu stellen. Ausserdem war die österreichische Bluesprominenz anwesend.

In dieser Zeit meldete sich der österreichische Fotograf und Filmemacher Sepp Dreisinger bei ihm und wollte ihn in einer Fotoserie portraitieren. Er erschien an den Konzerten und besuchte ihn auch im Tonstudio. Nach einer Sitzung im WUK (Werkstätten und Kulturhaus) in Wien schoss Brigitte selbst einige Aufnahmen und Cook verwendete ein besonders gelungenes Bild davon als Cover für das geplante Album und die Plakate für das Jubiläumskonzert.

Die Zusammenarbeit mit Thomastik-Infeld fand eine Fortsetzung und Cook konnte einen Endorsement Vertrag abgeschlossen. Cook richtete eine Webseite ein, auf der er auch die Sammlung seiner Blueskitchen-Artikel publizierte. So gewappnet ging er daran, das Jubiläumskonzert aufzugleisen, es sollte im Metropol stattfinden. Mittlerweile hatte dort die Geschäftsleitung gewechselt und die Verhandlungen waren schwierig. Letzten Endes wurde es aber ein Erfolg und das Konzert war ausverkauft.

Das Buch schliesst mit einigen Betrachtungen über die aktuelle Szene und eher pessimistischen Voraussagen über die Entwicklung der Bluesszene, aber auch mit der trotzigen Aussage, weiter zu machen und dem Publikum den stilechten, unverfälschten Blues präsentieren.

Al Cook - . Kein Platz für Johnny B. Goode: Blues als Rebellion gegen den Zeitgeist - .  Epikuros Verlag, Wien, 2016 - . ISBN 978-3-9503934-2-2

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