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Nico Brina - Boogie Me Up

Boogie hält jung

NicoBrinaBoogieMeUpCDCover2019 ist ein besonderes Jahr für Nico Brina. Er wird fünfzig Jahre alt kann auch noch sein fünfunddreissigstes Bühnenjubiläum feiern. Nicht viele schaffen es, so lange von ihrer Musik zu leben, besonders in unserem kleinen Land mit seinen limitierten Auftrittsmöglichkeiten. Wer trotzdem erfolgreich ist, hat Stehvermögen und Talent. Nico Brina hat beides. Darum hat er in dieser Zeit über dreitausend Shows in neunzehn Ländern weltweit aufgeführt. Müdigkeit scheint er nicht zu kennen, denn seine Agenda ist gut gefüllt. Daneben findet er regelmässig Zeit, neue Alben zu veröffentlichen und die Songs dafür zu schreiben. Sein neustes Werk heisst «Boogie Me Up».

Es ist sein fünfzehntes Album und Nico Brina bringt es jedes Mal fertig, neue Facetten seiner Musikalität zu zeigen und dadurch seine Alben interessant zu halten. Dabei geht die Essenz nie verloren: Piano-Boogie und -Rock’n’Roll vom feinsten. Handwerklich ist auch die aktuelle Scheibe untadelig. Eine bärenstarke linke Hand und eine Rechte, die scheinbar mühelos perlende Läufe zaubert, besonders deutlich im elften Titel, der schlicht Boogie Woogie heisst. Aufgenommen und abgemischt wurde das Album vom legendären Eric Merz in seinem Little Sinus Homestudio. Es enthält fünfzehn Titel, davon sind zwölf eigene Kompositionen, bei vier davon haben Tom Schürch (Jive Boys) oder Gunar Haas (modern music) die Texte beigesteuert. Die drei Cover stammen von Ray Brown (Good Rockin’ Tonight), Tom Waits (Clap Hands) und Lucky Wüthrich (Why Did You Kiss Me Last Night?) Lucky Wüthrichs Titel ist damit vor dessen eigener Veröffentlichung erschienen, also gar kein Cover im engeren Sinn. Mit von der Partie ist sein langjähriger Schlagzeuger, Tobias Schramm, der in allen Titeln den Takt angibt, ausser in der Ballade Her Elvis, die Brina solo spielt. Das Resultat ist ein durchgehend begeisterndes Album. Das einzige, was mich persönlich etwas stört, ist die Tatsache, dass alle Titel ohne Pause direkt ineinander übergehen.

1947 schrieb Ray Brown den Titel Good Rockin’ Tonight und bot ihn Wynonie Harris an, der ihn allerdings ablehnte, worauf Brown ihn selbst einspielte und damit den elften Platz der Billboard R&B Charts erreichte. Danach nahm Harris den Song ebenfalls auf und erreichte sogar Platz 1 der Charts. Er Song wurde unzählige Male gecovert, unter anderem von Elvis Presley auf seiner zweiten Single. Damals nannte man diese Musik Jump Blues oder Blues and Rhythm, später Rhythm and Blues. Bis heute streiten sich die Gelehrten darüber, ob es sich bei Harris’ Version um den ersten Rock’n’Roll Titel handelt. Wie auch immer, er gehört zweifellos in den Kanon des Rock’n’Rolls. Selbstverständlich hat auch Jerry Lee Lewis den Song in einer Pianoversion eingespielt. Brinas Version ist schneller, mehr Boogie als Rock’n’Roll.

Der zweite Coversong ist Tom Waits Clap Hands. Ihn zu covern ist ein Abenteuer. Da ist erstmal sein unverkennbarer Gesang, dann seine Poesie, die zu jeder Menge Interpretationen verführt, weil man nie genau weiss, was er eigentlich sagen will. Schliesslich sein Musikstil, der kaum einzuordnen ist. Im Original fällt die Marimba auf, die eine geheimnisvolle, magische Stimmung erzeugt, unterstützt von verzerrten Gitarrenriffs. Brina umgeht jede Klippe und kreiert eine eigene Version, die nie versucht, dem Original nahe zu kommen, oder es gar in einen Boogie zu verwandeln. Tobias Schramm gelingt es mit einem stoisch durchgezogenen Takt eine ähnliche Stimmung zu erzeugen, darüber legt Brina seine bluesig gefärbten Akkorde. Grossartig!

Dancing Mosquito ist einer von fünf schwungvollen, instrumentalen Songs, neben Barrellhouse Mice Race, Jellyfish Babe, Boogie Woogie und C Jam Boom Boom. Letzterer ist ein Titel, der das Schlagzeug ganz in den Vordergrund stellt. Der ganz einfach gehaltene Song ist sowas wie ein relaxed gespieltes Schlagzeugsolo, verwoben mit einer simplen Melodie und groovt toll. Die anderen Titel treibt Brina gnadenlos voran, dass es einem schwindlig werden kann. Eine Mini-Geschichtsstunde in Sachen Zwanzigerjahre in Chicago gibt es in Al Capone. An New Orleans erinnern Tomorrow Can Come, Lazybones und der Calypso Boogie. Rasant kommt der von Lucky Wüthrich beigesteuerte Titel Why Did You Kiss Me Last Night? daher. Ein Titel zum Dahinschmelzen ist die erwähnte Ballade Her Elvis. Brinas Pianosolo und ein Hauch von Elvis in seiner Stimme lassen einen in Erinnerungen schwelgen. Eröffnet wird das Album mit dem titelgebenden Boogie Me Up, das gleich die richtige Stimmung aufkommen lässt und geschlossen mit Headturner.

Zusammengefasst: einmal mehr ein vielseitiges Album, das nie im Schrank verstauben wird. Seien es die Eigenkompositionen, oder die Covers, jedes Stück hat seinen eigenen Charakter. Erschienen bei Stormy Monday Records

Nico Brina – Boogie Me Up (2019)

Nico Brina: Piano, Gesang
Tobias Schramm: Schlagzeug

  1. Boogie Me Up
  2. Good Rockin' Tonight
  3. Dancing Mosquito
  4. Her Elvis
  5. Lazybones
  6. Barrelhouse Mice Race
  7. Clap Hands
  8. Jellyfish Babe
  9. C Jam Boom Boom
  10. Al Capone
  11. Boogie Woogie
  12. Tomorrow Can Come
  13. Why Did You Kiss Me Last Night
  14. Calypso Boogie
  15. Headturner