Geschrieben von Rolf Winter am .

Wynton Marsalis and Eric Clapton Play the Blues

Neue Ufer

Auf einer neuen VeröffeClaptonMarsalisCDCover.jpgntlichung zeigt Eric Clapton, wohin ihn seine Suche nach neuen musikalischen Horizonten geführt hat. Er traut sich zu, Schritte in Richtung Jazz zu wagen, was keine neu entdeckte Liebe ist, sondern natürlich die Basis. Auf CD und DVD zeigen Clapton und Wynton Marsalis und einer von ihm handverlesenen Band des Lincoln Jazz Centers in New York beim lustvollen Spiel mit altbekannten Songs. Die Aufnahme ist sehr unterhaltsam, witzig und ein echtes Vergnügen, wenn man ein Faible hat für Old Time Jazz und Dixie. Ein interessanter Versuch, Neues zu erkunden auf dem immer tiefer führenden Weg in die Musik.

Eric Clapton hat bekanntlich schon einige Jahre keine Lust mehr, den Gitarrengott des endlosen Solos zu geben, und so sucht er neue Herausforderungen im Zusammenspielen mit anderen Musikern, mit denen er sich etwa auf Augenhöhe wähnen kann: B.B. King, Steve Winwood und neuerdings Jeff Beck hiessen die Partner in den vergangenen Jahren, neben den Partnern auf seinen Tourneen wie Doyle Bramhall II oder Derek Trucks. So muss ihm die Idee gefallen haben, mit Wynton Marsalis zusammen zu spielen. Marsalis ist ein Jazztompeter, genialer Spross der Marsalis-Familie aus New Orleans und sozusagen «Professor für Jazz» am Lincoln Jazz Center in New York. Dort unterhält er eine exquisite Band höchst spezialisierter und einzigartiger Musiker, und zum Spiel mit dieser Band lud Marsalis nun Eric Clapton ein. Wynton Marsalis ist selbst auf der Suche nach neuen Ufern, wie seine letztjährige Veröffentlichung mit Willie Nelson zeigte.

Aus den drei ausverkauften Shows am 7., 8. und 9. April 2011 stammen die Zusammenschnitte, und davon erschien Anfang September eine CD und eine CD/DVD Deluxe-Paket. Ein Blick auf die Instrumentierung macht klar, dass dies keine Clapton-Show sein kann, sondern dass der Brite (der seinerseits Keyboarder Chris Stainton mitbrachte) im Kollektiv der Band des Lincoln Jazz Centers aufgeht: 2 Trompeten, Posaune, Klarinette, Banjo, Klavier und Schlagzeug/Bass.

Die Band besteht durchwegs aus Schwergewichten an ihren Instrumenten und die Qualität ist sehr offensichlich: Die Instrumente perfekt gehandhabt, ist jeder Quietscher, jede «schmutzige» Note gekonnt und gewollt. Speziell hervorzuheben sind hierbei Klarinettist Victor Goines, den Marslis als «The Last of the Creole Players» bezeichnet, und Posaunist Chris Crenshaw, ein wahrer Gigant der Posaune. Und so ist es die Band, der es zuzuschreiben ist, dass diese Aufnahmen keinen Fuss still lassen, dass die Musik mitreisst und begeistert, denn die Band bringt die Sicherheit, dass Clapton sich Zeit lassen kann damit, warClaptonMarsalis2.jpgm zu werden und sich ins Kollektiv einzufühlen. Journalisten haben ausgerechnet, dass sich die Gewinner von 28 Grammies auf dieser Bühne versammelt haben, 30, als noch Taj Mahal dazukommt für einen Kurzauftritt.

Die Band bringt den gesuchten Sound, eine an King Oliver und andere Jazz-Bands erinnern, von denen es ja sogar Aufnahmen gibt. Er klingt nach dem frühen Sound der 20er Jahre, und darauf kommt die Gitarre und der Gesang Claptons. Er weiss, hier muss er alles geben , und er versucht mitzuhalten, so gut es geht, doch es wird auch deutlich, dass die ihn umgebenden Musiker ihm auf diesem Feld mehr als gewachsen sind. Clapton bemüht sich, Spass zu haben und die Auftritte zu geniessen und die Art, wie er wenig von sich selbst überzeugt mitspielt und seinen Part übernimmt, zeigt wieder einmal, welch tiefgehendes Interesse und welche Ehrfurcht er vor diesen Liedern hat.

Eric Clapton wählte die Titel aus, Wynton Marsalis arrangierte sie in einem komplexen und vielschichtigen New-Orleans-Jazz- Blues-Setting. Das Konzert eröffnet mit dem Gassenhauer Ice Cream, der auch als Reminiszenz an die Skiffle-Bands verstanden werden kann, die als erste die Schwarze Musik nach England brachten. Gewisse Abstimmungsprobleme sind noch wahrzunehmen, aber es geht schon sehr flott los. Es folgt der Klassiker Forty-Four von Roosevelt Sykes. Dieser kommt gewichtig und aggressiv herüber, der gesamte Druck der Band wird in die Spannung gelegt, die Clapton mit heulendem Gesang zu brechen versucht. Erinnert etwas and From The Cradle. Die Version des Songs erinnert am meisten an jene auf der CD Out of the Madness von Derek Trucks. Es folgt Joe Turner's Blues, eine tragende und schleppende Weise, die genügend Raum lässt für spektakuläre Soli.

Viel Raum für Bläsersoli auch beim nächsten Titel The Last Time, der ein Showcase für die Klarinette ist, aber auch ein wunderbares Pianosolo bietet. Angestachelt von den Vorleistungen legt sich Claptons beim Gesang ins Zeug. Insgesamt bietet die CD eine der besten Gesangsleistungen von Clapton der vergangenen Jahre. Ein weiterer langsamer Song folgt mit wie Careless Love. Kidman Blues ist ein Pianoboogie, bei dem Claptons Licks gut hineinpassen passen und wo er sich sichtlich wohl fühlt.

Dann folgt als grosse Überraschung und - wie Clapton erwähnt - auf Wunsch des Bassisten Carlos Henriquez eine New Orleans-Version von Layla. War schon die Version auf Unplugged entspannt und mehr eine Erinnerung an das Gefühl von damals, so scheint er bei dieser an einen Trauermarsch erinnernde Fassung in einem alten Tagebuch zu blättern. Sehr langsam, sehr getragen, ist diese Fassung mit dickem Augenzwinkern gespielt. Natürlich werden manche Puristen meckern, dass dies nicht zusammengehört und mancher wird die Aufnahme furchtbar finden, aber sie bleibt ein schönes Experiment.

ClaptonMarsalis.jpgMemphis Minnies Joliet Bound ist wein weiterer Hörepunkt, ein Titel zwischen Country und Blues, bei dem Posaunist Chris Crenshaw nicht nur eine geniale Spielvariante der Posaune zeigt: Mundstück, Posaunenzug und dass in ein Whiskeyglas gespielt. Dazwischen singt er auch noch, und der Song gehört eindeutig ihm. Für das 12-minütige Schlussbouquet kommt dann Taj Mahal auf die Bühne für den Gesang und es gibt eine New Orleans-Beerdigung mit Just A Closer Walk With Thee. Dies wird gespielt wie es sich gehört: langsam aund träge schleppend auf dem Weg zum Friedhof, dann Rhythmuswechsel und fetzig wieder zurück. Alleine das Schlagzeugsolo beim Wechsel ist ein Vergnügen, und wie dann die Post abgeht, ist schön anzuschaun oder zu hören. Als Zugabe gibt es Corrine, Corrina, auf dem Taj Mahal das Banjo übernimmt. Hier wird der Bogen m.E. etwas überspannt und hier passt es manchmal nur etwas holperig zusammen.

Aber das Motto der Konzerte war Spass haben und nicht Perfektion und das wirkt sich auf. Alle hatten ein Vergnügen daran und das überträgt sich auf die Zuhörer. Voraussetzung ist einzig, dass man etwas mit diesem New-Orleans-Jazz anfangen kann. Eine Reise in eine alte Musik, die sich zurecht noch immer grosser Beliebtheit erfreut.

Wynton Marsalis & Eric Clapton Play the Blues
Wynton Marsalis (vocals, trumpet)
Eric Clapton (vocals, guitar)
Victor Goines (clarinet)
Markus Printup (trumpet)
Chris Crenshaw (trombone, vocals)
Don Vappie (banjo)
Chris Stainton (keyboards)
Dan Nimmer (piano)
Carlos Henriquez (bass)
Ali Jackson (drums)
 
1 Ice Cream
2 Forty-Four
3 Joe Turner's Blues
4 The Last Time
5 Careless Love
6 Kidman Blues
7 Layla
8 Joliet Bound
9 Just A Closer Walk With Thee - feat. Taj Mahal
10 Corrine, Corrina - feat. Taj Mahal