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Baden Blues Festival: Ludwig Seuss und Jon Cleary

Das Eröffnungskonzert in der Trafohalle war trotz Fussball-Cupfinalspielen in den grossen europäischen Ligen, trotz gross beworbenem Boxmatch mit Schweizer Beteiligung, trotz Grillwetter und frühsommerlicher Abendstimmung gut gefüllt. Die letzten freien Plätze der Eröffnungsband des Abends füllten sich und als Jon Cleary die Bühne betrat, war in der ausladenden Trafohalle kein Sitzplatz mehr zu bekommen. Der Blues lebt in Baden und das wurde gestern sehr deutlich.

Die erste Hälfte des Eröffnungskonzerts wurde bestritten von Pianist und Akkordeon-Spieler Ludwig Seuss und seiner fünfköpfigen Band, bestehend aus Gitarrist Christoph «Bebof» Böhm, Bassist Tom Peschel, Schlagzeuger Christoph Buse und dem Saxophonisten Eddie Taylor, der leider über die PA kaum zu hören war. Mit einem gelungenen Groove und einem ansprechenden Cover-Mix aus Blues, New Orleans Grooves und gelegentlichen Zydeco-Einsprengseln bereitete die Band in idealer Weise den Abend und die Stimmung für Cleary vor. Leider mühte sich Saxmann Eddie Taylor weitgehend umsonst, den nur unmittelbarer in Hörweite der Bühne war das Sax hörbar, weiter hinten verlor sich der Sound. Immerhin ist seine Ein-Mann-Bläsergruppe eine tolle Sache, denn wenn man ihn hörte, kam mächtig Wupp aus dem Horn. Gitarrist Böhm spielte seine Soli routiniert und mit wenig Überraschungspotential, dafür war Bandleader Ludwig Seuss sehr animiert und um die Stimmung im Publikum besorgt.

JonClearyBandBadenBühneEntsprechend kam das Publikum mit hohen Erwartungen aus der Pause zurück, als Jon Cleary mit einiger Verspätung begann. Es gab einige Verwirrung wegen der Anfangszeiten: Im Internet wurde 21:00 Uhr als Beginn des Konzerts genannt, im gedruckten Programm stand dann 21:30, und als Jon Cleary, A.J. Hall, Cornell Williams und Nigel Hall die Bühne betraten, stand auf Digitaluhren vor dem Doppelpunkt bereits die 22. Für das so makellos organisierte Festival in Baden ein erstaunlicher Lapsus.

Doch auch seit längerem ausharrende Musikfans kamen auf ihre Kosten, als ein eigenartiges Quartett die Bühne betrat, offensichtlich in bester Stimmung: Sänger, Pianist und Keyboarder Jon Cleary wurde nicht von seiner normalen Band unterstützt, lediglich Bassist Cornell Williams spielt für gewöhnlich mit dem aus Kent stammenden, aber seit ewigen Zeiten in New Orleans lebenden Engländer. Daneben war der Hammond-Organist Nigel Hall anstelle eines Gitarristen für die Begleitung zuständig und komplettiert wurde das Ganze von Schlagzeuger Alex «A.J.» Hall, der eine unglaubliche Schlagzeugleistung ablieferte. Die Band wurde unter dem Namen The Absolute Monster Gentlemen vorgestellt, und alle drei waren an ihren jeweiligen Instrumenten in der Tat «Monster» und «Gentleman» gleichzeitig, aber am meisten erstaunte A.J. Hall. Die ganze Komplexität des New Orleans-Rhythmus (Stichwort «Second Line Groove») zeigte der blutjunge Drummer, der sogar ein kleines Schlagzeugsolo spielen durfte und dessen Begleitung Band wie Publikum enthusiastisch mitgehen liess. Gegen Ende des Auftritts blieben seine Schlagzeupattern zwar komplex und mitreissend, aber leider differenzierte er in der Lautstärke weniger als zu Beginn und so wurde der Schluss des Konzerts für die vordere Hälfte der Halle zur Mutprobe oder zum Zeitpunkt, die Ohrstöpsel zu montieren. Weil lautere Drums auch mehr Druck beim Bass bewirkt schaukelte sich die Band für die letzte halbe Stunde gegenseitig hoch und verschiedene Besucher in den vorderen Reihen nahmen entsprechend Reissaus.

Der allgemeinen Stimmung tat dies wenig Abbruch: Dieses letzte Konzert mit dem aktuellen Lineup nach einer Reihe von Auftritten in England liess das Quartett verspielt und freudig auftreten, sie alberten rum und machten aus ihrer Spielfreude keinen Hehl. Für das Publikum hiess dies: Ein Set von annähernd 20 Songs, viele davon auf der Basis von New Orleans-Standards, aber mit neuem Text. Und wo er Covers spielte, etwa bei Fulsons Reconsider Baby war er völlig auf seiner eigenen Schiene. Cleary scheint beseelt davon, die Vielseitigkeit des New Orleans-Sounds zu zeigen und so stellte er immer neue Varianten des synkopierten Grooves vor, der die Grundlage des Sounds der «Crescent City» darstellt. Dass es diesen Engländer nicht mehr losliess, überrascht nicht, und dank der Hilfe der Band sprang der Funke aufs Publikum über. So kann es gerne weitergehen am Blues Festival Baden.