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Larry Carlton & B.B. King In Session

Im Jahr 1983 trafen sich B.B. King und der zum damaligen Zeitpunkt vor allem als Session-Gitarrist bekannte Larry Carlton in einem Studio und spielten einige Titel aus Kings damaligem Katalog (Hummingbird, Thrill is Gone) sowie einige Jam-Titel, bei denen der immer freigiebige King nicht mit Ratschlag und Tipps spart. Das insgesamt 47 Minuten dauernde Video kann man auf Youtube ansehen unter folgendem Link:

https://www.youtube.com/watch?v=qI4rEOKREyM&t=246s

Carlton war zum damaligen Zeitpunkt als Gitarrist der ultra-angesagten Band Steely Dan bekannt, aber er spielte auch auf Aufnahmen von u.a. Joni Mitchell, Paul Anka, Michael Jackson oder Dolly Parton. Der Blues stand dabei stets im Kern seines Schaffens und wie etwa auch Kenny Burrell war Carlton ein Gitarrist, der keinem Genre fest zugerechnet werden konnte, der aber stets seine Wurzeln im Blues definierte. Bis heute ist Larry Carlton ein begeisterter Duett-Spieler, der seither mit Lee Ritenour, Robben Ford, David T. Walker, Steve Lukather oder Terry McMillan Alben veröffentlicht hat und der dies Kommunikation mit anderen Musikern liebt.

1983 war er deshalb begeistert, mit King spielen zu können und sie beiden treiben sich im Verlauf dieser Dreiviertelstunde gegenseitig zu Höchstleistungen an. Spielfreude quillt aus dem Lautsprechern und Carlton bemüht sich, einen Sound zu finden, der dem seines Partners entspricht. Er wählte an diesem Tag nicht die später so charakteristische Gibson ES-335, sondern er spielt ein Les Paul-Modell mit P90-Pickups.

Die beiden Musiker haben offensichtlich grossen Spass: Beinahe zärtliche Blicke werden hin- und hergeschickt und es ist offensichlich, dass hier Musik als Kommunikationsmittel verwendet wird, mit dem zwei Menschen in innigen und kreativen Kontakt treten. King lobte den «cleanen» Sound von Carltons Spiel (19. Minute) und dieser unterstützt B.B. wo immer es geht, seine Bereitschaft zu lernen ist mit Händen greifbar. Nach Thrill is Gone sagt King: «Can you imagine playing that song for ten years, every night? But playing it with you makes it feel fresh again». Was für eine grossere Anerkennung gäbe es noch?

Wenn man sich aber auf Youtube die Kommentare zu dieser wunderbaren Aufzeichnung durchliest gibt es neben den freundlichen und glücklichen Usern (z.B. «what a vibe created by masters!») eine befremdlich grosse Zahl von Menschen, die in ihren Kommentaren das Zusammenspiel als Wettkampf missverstehen und die sich deshalb als Richter aufspielen: «It's amazing but Larry plays circles around BB. No offence to BB King but Larry Carlton is so talented that his genius can intimidate even the highest regarded in the industry.» Der User scheint also der Meinung zu sein, als Musiker müsse man wie die Revolvermänner im Westen die anderen «einschüchtern» (intimidate).

Ein User hat zwar den Namen falsch in Erinnerung, aber das hindert ihn nicht, zu schreiben: «Steve Carlton had reached BB's level of musicianship when? When he was nine?». Er scheint der Meinung zu sein, derjenige, der die kompliziertesten Akkorde zu spielen weiss, ist der Gewinner eines Stückes. Andere bemühen sich um einen fairen Richterspruch: «You can tell it's B.B. playing after just one or two notes.  Larry's great too.  But he has a less unique voice on the guitar than B.B.  Larry might be able to play faster, more complex stuff than but B.B., but B.B. has a much more distinctive voice on the guitar.  And more soul.  I'm sure Larry would agree». Danke Professor Hochnase.

Neben diesen Kommentaren gibt es die anderen Genies, welche dieses Zusammenspiel abwerten und Verweis auf ein anderes, das ihnen offenbar besser gefallen hat: «If you want to hear legends trumped by genius listen to albert King and Stevie Ray in session…». Was soll man da noch sagen? Das Internet fält beide Konzerte parallel verfügbar, weltweit für jeden zu hören, aber jemand meint, es sei wichtig, dass Albert King und Stevie Ray Vaughan noch VIEL VIEL besser spielen.

Natürlich kann jeder tun und lassen, was er mag, und das beinhaltet auch, für den Rest der Welt irrelevanten Blödsinn zu schreiben. Aber die Möglichkeit, jederzeit für jedermann zu jedem Thema alles sagen zu können was ihm oder ihr durch den Kopf geht hat das Internet angefüllt mit Kommentaren wie «I love BBKing and EIRC Clampton. and I love Jazz also.» (sic). Dies hat nicht nur gute Folgen. Neben dem sinnlosen Verbrauch von Ressourcen für Rechner und Server und Kühlungen etc. etc. führt diese Möglichkeit offenbar auch dazu, dass Menschen in ihrer Wahrnehmung nicht mehr zwischen relevant und irrelevant, zwischen wichtig und unwichtig, sowie zwischen wahr und falsch unterscheiden. Dies führt in letzter Konsequenz dazu, dass Donald Trump im Weissen Haus sitzt und dass in Europa 2017 als das Jahr des Populismus in die Geschichte eingehen wird, selbst wenn diese keine der Wahlen in Holland, Deutschland, Italien oder Frankreich gewinnen sollten.

Umgekehrt gefragt: Was bringt das den Menschen, die so etwas schreiben, die sich einloggen, die Kommentarfunktion öffnen und irgendetwas hochgradig Persönliches ohne Tragweite für irgendjemand sonst ins Internet schreiben? Sie wissen ja nicht, was jene denken, die das lesen? Sind sie stolz auf ihren Beitrag zur Kommunikation? Ich bezweifle wirklich, dass Menschen länger als einige Minuten etwas davon haben, so etwas zu schreiben.

Bei Musik geht es um Kommunikation. Um den Austausch von Informationen und Gefühlen, es geht um eine gemeinsame Harmonie. Bei Internet-Kommentaren geht es meiner Meinung nach nur um sich selbst, um das «ICH ICH ICH» der Verfassenden. Deshalb haben Menschen, die ein Duett von King und Carlton als Wettkampf missverstehen, nicht verstanden, was der Sinn von Musik ist.