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Richard Koechli: Slide Guitar Styles

richardkoechlislidestyles.jpgRichard Koechli ist ein sorgfältiger Mann, das war unlängst schon bei der Rezension seiner CD Laid Back festzustellen. Diesmal geht es um ein Buch, das er verfasst hat, den Gitarrenkurs Slide Guitar Styles im hierfür einschlägig bekannten AMA-Verlag (publiziert 1997). Ausgehend von der Begeisterung für Koechlis CD wollte bluesnews wissen, wie er sich denn als Lehrer macht, denn auch als solcher ist er kein Unbekannter: Sascha Koch von Biscuit Jack gibt Koechli als «Impuls-Geber» an. Wenn also - man vergebe den Kalauer - schon der Koch vom Koechli lernt, wie ist es dann, mit einem von ihm verfassten Lehrbuch zu arbeiten?

Richard Köchli - Slide Guitar Styles - Brühl: AMA-Verlag, 1997 - 241 S., CD - ISBN 3-927190-90-X

 

Ich rezensiere dieses Buch vor folgendem Hintergrund: Ich spiele seit 17 Gitarre und habe mir dies ausschliesslich mit Selbstlernkursen angeeignet. Über das Niveau meines Gitarrenspiels mag man sich gerne skeptisch zeigen, aber ich kenne mich mit diesen Kursen ganz gut aus und habe nun mit Koechlis Slide-Kurs einen knappen Monat rumgemacht, das heisst, ich habe mir den Kurs durchgelesen und viele Beispiele aus unterschiedlichen musikalischen Bereichen nachgespielt.

richardkoechlibw.jpgMein Generalurteil zu diesem Buch: Es ist eine grosse Leistung und äusserst verdienstvoll passt das Buch genau in eine klaffende Lücke. Es gibt auf dem Markt für autodidaktische Werke für Gitarre wenig zum Slide-Spiel, auf Deutsch ist mir nichts weiter bekannt. In vielen Büchern zum Bluesspiel gibt es zwar Kapitel zum Slide-Spiel, aber eben viel zu wenig intensiv. Dieses Buch ist gut geschrieben und es gibt für Gitarristen jeden Niveaus hieraus noch etwas zu lernen. Insbesondere für jemanden, der nicht nur in einer Band oder mit anderen Gitarristen zusammen spielt, ist das Buch faszinierend, weil es tatsächlich einen vollumfänglichen Gitarrenkurs bietet, bei dem ein Jünger der sechs Saiten Solospiel, Rhythmus-Spiel und auch die Kombination in Form des Fingerpickings erlernen kann. Ich habe etwas mit dem Buch herumgedudelt, um diese Rezension schreiben zu können, aber es ist meine feste Überzeugung, dass das Buch sehr viel zu bieten at, wenn man es systematisch durcharbeitet.

Denn wie eingangs gesagt: Koechli hat sich erneut grosse Mühe gegeben. Dieses Buch zusammenzustellen ist viel Arbeit gewesen, und er hat offensichtlich viel Herzblut hineingesteckt. Die Arbeit hat sich gelohnt, denn dieses Buch ist ein Juwel. Koechli erklärt darin das Slide-Spiel, wie es im Blues, in der Country-Musik und im Rock vorkommt. Um dies zu erreichen gibt er eine Einführung ins Fingerpicking und in die für das Slide-Spiel so wichtigen offenen Stimmungen. Zudem hat er neu arrangierte Versionen von Klassikern wie «Greensleeves» oder «Banks of the Ohio» verfasst.

Koechli gliedert sein Buch in folgende Abschnitte:

1. Grundlagen
2.
Theorie
3. Open Tunings
4. Blues-Slide
5. Country- und Folk-Slide
6.
Rock- und Pop-Slide

Dazu gibt es eine minimal kommentierte Diskographie mit Empfehlungen. Auf der Beilagen-CD befinden sich 81 Tracks mit 216 (!) Hörbeispielen und vier Jamtracks: einem Chicago-Blues in G, einem Texas-Blues in E, einem Country-Folk-Stück in G und einem Rock in Em. Das ganze Werk ist sehr umfangreich: Über 240 Seiten voller Tricks und Kniffe, die ein begeisterter Koechli weitergibt. Das ganze Buch macht den Eindruck, als sei Koechli geradezu begierig gewesen, sein Wissen weiterzugeben, und so erklärt sich wohl auch der grosse Aufwand, den er reinsteckte.

Was aber bietet das Buch im Einzelnen? Für den weniger systematischen Gitarristen bietet die beigelegte CD eine solche Vielfalt an akustischen wie auch elektrischen Licks und Song-Bausteinen, dass es schon ein Vergnügen ist, die CD anzuhören und sich zu überlegen, welches der 216 Hörbeispiele man mal versuchen möchte, nachzuspielen, bzw. an welchem man sich abarbeiten möchte.

Wer sich etwas grundsätzlicher mit dem Slide-Spiel auseinandersetzen möchte, der kann nach den drei einführenden Kapiteln im Abschnitt «Blues-Slide» (S. 63-154) Picking-Begleitungen ebenso erlernen wie Turnarounds. All dies setzt man in einem Kurs voraus. Koechli erklärt dann im Blues-Teil seines Werkes wie man einen Blues pickt, er erklärt die einzelnen Teile, und er variiert die offenen Stimmungen, so dass man schon nur vom Zuhören viel Gefühl dafür kriegt, was es ausmacht, in offener G oder offener A-Stimmung zu spielen. Dazwischen bringt er dem Leser kleine Details nahe wie Barré-Tonleitern oder das Spiel mit Plektrum, bzw. den Fingern. Fingerpicking-Muffel seien gewarnt, da das Slide-Spiel viel mit Picking zu tun hat, ist der Kurs hauptsächlich sinnvoll für jemanden, der bereit ist, sich mit dem Fingerpicking auseinanderzusetzen. Die Belohnung dafür ist, dass man mit Koechlis Hilfe wirklich die Technik lernt und auch genug Musik, um diese anzuwenden.

Kernstück des Blues-Teils sind die «10 Master-Workshops», in denen Koechli als Vermittler auftritt und Gemeinsames wie Spezifisches der Stile von Robert Johnson, Elmore James, Son House, Muddy Waters, Tampa Red, Blind Willie Johnson, Fred McDowell, Earl Hooker, Robert Nighthawk, Bonnie Raitt, Duane Allman, Johnny Winter und Ry Cooder. Eine phantastische Sammlung, in der man wirklich die Entwicklung der Slide-Gitarre vom frühesten Delta bis zur British Invasion «in a nutshell» nachvollziehen kann. Dieser Master-Workshop alleine ist schon die Anschaffung des Buches wert.

Danach folgt, was Koechli als «anspruchsvolles Spielmaterial» bezeichnet. Das sind drei fetzige 12-Takter in verschiedenen Stilen, angelehnt an den Meistern und so richtig was für Übungsfreaks. Dieses Material muss man in der Tat intensiv üben, denn es hat es in sich, die vielen kleinen Details, die die Musik lebendig und bluesig machen, werden einem hier angeboten, man kann sie lernen und den Meistern dadurch in die Karten sehen. Koechli selbst bezeichnet die drei Blues als «Diplom-Zwischenprüfung».

Danach folgt ein Abschnitt zur Lead-Gitarre, in der erneut verschiedene Licks angeboten werden, und der in gewissem Sinne eine Weiterführung des Meisterkurses ist, denn er führt zu Soli im Stil von Mick Taylor, Eric Clapton (irgendetwas zwischen «Sitting on Top of the World» und «Worried Life Blues») oder Lowell George.

Dann kommt Kapitel 5 «Country- und Folk-Slide» (S. 155-214). Hier gelingt dem Autor nicht weniger, als den vielbeschworenen, aber nicht immer offensichtlichen Zusammenhang zwischen den weissen und schwarzen Musiktraditionen des Südens  der USA offenkundig zu machen. Koechli zeigt ebenso wie zuvor beim Blues die für Country typische Begleitung in Form des Wechselbasses (oder «alternating bass»). Die Einführung mündet in einen «Sylvester Weaver Workshop». Sylvester Weaver (1897-1960) war ein Gitarrist der Stilrichtungen Ragtime und Blues. Der Workshop umfasst einen Ragtime in E auf der Gitarre, der eine Perle des ganzen Buches darstellt. Koechli scheint er auch zu gefallen, vielleicht eine frühe persönliche Erinnerung, denn sein Beispieltrack auf der CD klingt wie eine alte Radioaufnahme aus den 1930er Jahren. Die Aufnahme so abzumischen, dass das kratzende Radio als Intro und Outro dem Stück einen akustischen Rahmen geben, ist reine Spielerei. Aber genau diese Spielerei ist ein weiterer Hinweis auf Koechlis Sorgfalt und Begeisterung. Dieser Track ist sozusagen das «Easter Egg» des Buches.

In diesem Teil des Buches kommen die neu für Slide-Gitarre arrangieren Standards wie «Banks of the Ohio», «Amazing Grace», «I'm a Pilgrim» (auch «I am a pilgrim», Johnny Cash singt es auf My Mother's Hymn Book und Michael Bloomfield bringt eine Instrumentalversion auf seiner CD If You Love These Blues, Play'em As You Please) oder «Will the Circle be Unbroken» und «Greensleeves». Diese Klassiker werden jeweils durch Hinweise auf erweiterte harmonische Informationen (Spezielle Open Tunings) oder Techniken (Brushing, Chicken-Picking, Oberton-Sliding etc.) ergänzt. All dies führt dazu, dass man richtig Country-Gitarre zu spielen lernt, wobei die erwähnte Ähnlichkeit zum Blues so offensichtlich gemacht wird, dass es sich auch für Blues-Gitarristen lohnt, sich diese oftmals etwas geschmähte Musik genauer anzusehen.

Die Zusammenhänge erklärt Koechli auch im Abschnitt zur Lead-Gitarre im Country, in der er sowohl «bluesige» wie auch «folkige» Licks spielt und den Unterschied erklärt. Das Ganze endet in einem Leo Kottke Workshop.

Im Abschnitt «Rock- und Pop-Slide» offeriert Koechli dann Workshops der oben erwähnten ZZ Top, Dickey Betts, Jeff Beck, Warren Haynes, David Lindley und Sonny Landreth. Zum Schluss schliesslich kommen sogenannte «Spezielle Tricks aus der Küche des Autoren». Tricks sind wirklich für getreue Schüler des Autors und fleissige Über interessant, denn wenn man beispielsweise die Triller mit dem Bottleneck nicht makellos spielt, klingt es eben nicht.

Wie bereits eingangs deutlich gemacht, ist dieses Buch ein Desiderat auf dem allzu reich bestückten Markt für Gitarren-Lehrbücher, und zudem ein aufwändig, überlegt und didaktisch gut präsentierter Kurs. Also fünf Sterne für Richard Koechli, den Schweizer Slide-König. Was gibt es an diesem Buch zu kritisieren? Eigentlich nur eines: weil Koechli so viel reingepackt hat, sind seine Beispiele auf der CD alle in Normaltempo gespielt. Obwohl er selbst durch das Buch hindurch immer wieder darauf hinweist, dass man doch bitte langsam üben soll, dass es auf Präzision ankommt und nicht auf Geschwindigkeit, sind seine schnell und virtuos gespielten Beispiele auf der CD eine oft allzu grosse Versuchung, selbst zu schnell zu spielen. Wenn auch manche selbstverständlich über Software verfügen, mit der man Tonbeispiele verlangsamen kann, so wäre es doch angenehm gewesen, alle Beispiele auch in halber Geschwindigkeit auf der CD zu haben.

Koechli legt in diesem Kurs nicht nur einen Blues-Slide-Kurs vor, sondern er umspannt tatsächlich das weite Feld der Slide Guitar Styles von Blues über Country, Ragtime und Folk bis hin zu Rockmusik. Mit anderen Worten: Koechli bringt all jenen, die willens sind, sich eingehend damit zu befassen - und zu üben - die gesamte Südstaatentradition der Gitarrenmusik bei. Dieses Buch ist nicht nur eines der sprichwörtlichen drei Bücher, die man auf die Insel mitnehmen sollte (sofern auch eine Gitarre mitkommt), es ist ein unverzichtbarer Freund und Begleiter für alle Gitarrenspieler, die an amerikanischer Musik Interesse haben.  Und wer es nicht auf die Insel schafft, aber immerhin auf eine Veranda in den Südstaaten, der wird dort authentische Musik zu spielen in der Lage sein.