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Du Bois, Robinson, Obama

Die USA sind ein zutiefst gespaltenes Land. Das sind sie immer gewesen, die Gruppen haben sich stets in Abgrenzung zueinander definiert, und so wurden die Gräben zwischen Protestanten und Katholiken, englisch- und deutschstämmigen Einwanderern, Iren und Mexikaner immer schon gezogen, und in den Jahren der für den einzelnen Arbeiter knapper werdenden Ressourcen wurden diese Gräben tiefer, befeuert vom politischen System, das mit lediglich zwei Parteien eine Trennung der Welt in gut und böse befördert. Es sind immer «wir» gegen «die anderen» gewesen, und der Urkonflikt, der die Vereinigten Staaten wie ein Alptraum verfolgt, ist natürlich die Sklaverei und damit der Konflikt zwischen Schwarzen und Weissen.

In diesem Konflikt gibt es eine Reihe von Entwicklungen, insgesamt betrachtet lässt sich eine Evolution zum besseren hin feststellen, was aber auch nicht schwierig ist, wenn man bei der Sklaverei beginnt. Die Beziehungen haben sich dennoch bis zur rechtlichen Gleichheit, politischer Partizipation und vollkommener sozialer Freiheit (Heiratsgesetze etc.) hin entwickelt. Das ist erfreulich und die Präsidentschaft Barack Obamas war sicherlich ein Höhepunkt im Streben der schwarzen Bevölkerung um Anerkennung und Gleichheit.

Gleichzeitig ist läuft es bei den Rassenbeziehungen nicht so wie erhofft. Donald Trump befördert die Vorstellung gegeneinander konkurrierender Volksgruppen geradezu leidenschaftlich, die «Black Lives Matter» Bewegung hat aufgezeigt, wie wenig sich auf den Strassen verändert hat, trotz einem Nicht-Weissen Mann im Weissen Haus. Getarnt als Kampagne gegen «politisch Korrektheit» nehmen jene, die den Mund gerne vollnehmen und die offenbar in den letzten acht Jahren sich selbst einen Maulkorb verpassten, die Gelegenheit wahr, mal wieder auf den Putz zu hauen. Berichte von Pöbeleien bis Rangeleien zwischen Latinos und Weissen Amerikanern häufen sich seit der Wahl. Wie passt das zusammen? Es hat auch mit dem Stil des Präsidenten und der rassistischen Reaktion darauf zu tun.

In der Geschichte der Schwarzen Amerikaner gibt es eine grosse Zahl von herausragenden Individuen, die Unvorstellbares geleistet haben: Sportstar Jesse Owens (1913-1980), Sänger Paul Robeson (1898-1976), der Erfinder George Washington Carver (1860-1943), Komponist Duke Ellington (1899-1974), Baseball-Unternehmer Andrew «Rube» Foster (1879-1930) oder Diplomat und Nobelpreisträger Ralph Bunche (1903-1971) haben in verschiedenen Feldern gezeigt, dass Schwarze Individuen ebensoviel leisten können, dass sie sich zusammenschliessen und organisieren können, dass sie einen Unternehmergeist haben, alles Eigenschaften, die den Sklaven abgesprochen worden waren. Erst durch die hartnäckige Arbeit des Intellektuellen und Soziologen W.E.B. DuBois (1868-1963) Anfang des 20. Jahrhunderts wurde überhaupt «nachgewiesen», dass die Menschen aus Afrika nicht evolutionär dem Affen näherstanden als die Weissen. Die Anerkennung der Rassengleichheit in einem biologischen Sinne durch die Amerikanische Gesellschaft ist keine 150 Jahre alt.

Du Bois hat dies durchgesetzt, indem er sich geweigert hat, die Prämissen der Zeit zu akzeptieren und klein bei zu geben. Er verlangte denselben Zugang zur Universität Harvard wie Weisse Studenten, er nahm das Recht auf Pressefreiheit wörtlich und gründete Schwarze Organisationen wie die Bürgerrechts-Bewegung NAACP und schrieb in deren Publikation unablässig harte Argumentationen für seine Sache. W.E.B. DuBois liess nicht locker, er wollte JETZT einen Fortschritt. Der politische Opponent DuBois’, wenn man so will, also der Autor einer anderen Vision war Booker T. Washington (1856-1915), ein Mann der sich mit der de facto Trennung der Rassen arrangieren wollte, wie sie sich seit dem Ende der Sklaverei etablierte hatte (Stichwort Jim Crow Gesetze).

In der historischen Betrachtung der Beziehung zwischen Schwarzen und Weissen lassen sich immer wieder solche Paare isolieren, die auf eine von zwei Arten reagieren: sich unterwerfen oder die Unterwerfung verweigern. DuBois weigerte sich, Booker Washington unterwarf sich. Beide Reaktionen lassen sich aus der Situation heraus rechtfertigen, es geht nicht darum, einen der beiden Wege schlecht zu machen.

Bei den Boxern war es Jack Johnson (1878-1946), der das Haupt nicht neigte und Joe Louis (1914-1981), der sich nicht zu Rassenfragen äusserte, der keine der ungeschriebenen Regeln verletzte, die jede und jeder ja verinnerlicht hatte.

Jene, welche sich nicht unterwerfen, welche den Kopf hoch halten, werden von den Weissen Rassisten mit einer Inbrunst gehasst. Dies war bei Jack Johnson so, und auch bei DuBois, aber vielleicht mehr noch als bei irgendjemand sonst, bei Jackie Robinson (1919-1972). Der Baseballspieler, der als erster Schwarzer in der Major League spielte, durchbrach die Rassenschranke im geliebten Nationalsport, und für diesen Frevel musste er büssen. Aber er verteidigte seine Ansprüche, er behielt die Nerven und liess sich von keiner rassistischen Beschimpfung sichtbar aus dem Konzept bringen. Er weigerte sich, eine Rolle in der zweiten Reihe einzunehmen, bloss weil er eine dunklere Hautfarbe hatte. Er würde sich genauso wenig herumschupsen lassen wie seine Teamkollegen.

Barack Obama weist in seiner Amtsführung ähnliche Züge auf wie Jackie Robinson auf dem Spielfeld: er hielt sich an die Regeln, aber sah keinen Anlass, den Vorstellungen seiner politischen Widersacher zu entsprechen. Und hierbei geht es nicht um Politik, also um Inhalte, es geht um den Stil, um den Stolz, um die Unabhängigkeit, die sich Obama nicht nehmen liess, wenn seine Gegner auch seine politischen Inhalte torpedierten, wo immer sie konnten und anscheinend aus Prinzip. Obama zog unbeirrt seinen Stiefel durch, wenn manche Entscheidungen bald umgekehrt werden könnten und wenn vieles ungetan blieb.

Wie Jackie Robinson, wie DuBois, wie Jack Johnson, so rief auch Obama eine Art des Widerstands hervor, die längst besiegt schien: Der Bodensatz des rassistischen Schlammfasses, zuerst in der Form von Hitlerbärtchen auf seinem Porträt, später in der herablassenden Art, wie seine Gegner über ihn sprachen, nachdem er sie nicht mehr ernstnehmen konnte. Dieser Widerstand ist es meiner Meinung, der Donald Trump an die Spitze brachte. Nicht seine Jobpolitik und nicht seine «Mauer», was so viele Menschen Donald Trump wählen liess, das ist der Wunsch nach der Reetablierung der Rassenbeziehungen: Weiss oben, Schwarz unten, räumlich getrennt. Hätte Obama die de facto Trennung akzeptiert, dann wäre er sicherlich verehrt worden. Martin Luther King, dessen Geburtstag ein Feiertag in den USA ist, hat in seiner berühmten «Traum-Rede» eine Vision einer fernen Zukunft gezeichnet. Dem können auch Menschen zustimmen, die mit «den anderen» nichts zu tun haben wollen. «Eines Tages» ist immer in weiter Ferne.

Man wird sehen, was daraus wird, aber im Fall von Jackie Robinson wurde nie wieder ein Spieler so malträtiert, und heute ist er der grösste Held der Baseball-Geschichte. DuBois hat dazu geführt, dass Erziehung als selbstverständlich für alle anerkannt wurde (wenn auch nicht egalitär umgesetzt). Beide haben «Eines Tages» nie akzeptiert und haben trotzig auf dem «Jetzt» bestanden.

Was hat das alles mit dem Blues zu tun? Nicht viel, denn als nicht-elitäre Kunstform und angesichts des Studio-Systems der Musikdistribution standen Bluesmusikern lange keine Möglichkeiten offen, ihre Bürgerrechte einzuklagen, einen Jack Johnson des Blues gibt es nicht. Wenn nun aber die Rassenbeziehungen schlechter werden, brutaler, dann ist dies bestimmt nicht gut für den Blues, denn Musiker brauchen ein zahlendes Publikum, sie brauchen Aufnahmemöglichkeiten, Labels, die ihre Musik verlegen, und Künstler brauchen die Freiheit, kreativ sein. Und das braucht Sicherheit, eine Sicherheit, den eigenen Weg zu gehen. Dies ist die Sicherheit, für die Obama stand.

Selbstverständlich liesse sich ein ähnlicher Kommentar verfassen mit Fokus auf die Geschlechterbeziehung, aber wie die Nicht-Wahl von Hillary Clinton gezeigt hat, ist hier noch ein viel weiterer Weg zurückzulegen.