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28. Bluesfest Eutin- Bericht

Leider ist die Zukunft des Festivals zur Zeit unsicher. Der historische Marktplatz soll «saniert» werden, so nennt man die Einödung öffentlicher Plätze, die dazu geführt hat, dass sich die Zentren vieler Orte kaum mehr voneinander unterscheiden. Während des Umbaus, der sich durchaus über mehr als ein Jahr hinziehen kann, kann das Bluesfest dort nicht durchgeführt werden. Ein Ausweichstandort mit all den Vorteilen und Eigenschaften des Marktplatzes wird nicht leicht zu finden sein. Wie es weitergeht, wird sich erst im Verlauf dieses Jahres herausstellen. Aber zurück zum Festival:

Die ersten drei Acts waren eigentlich ein durchgehendes Konzert mit wechselnder Besetzung. Eröffnet wurde der Reigen von den Lokalmatadoren Georg Schroeter am Piano und dem Harper Marc Breitfelder. Das Duo feierte sein dreissigjähriges Jubiläum und spielte zunächst alleine. Nach einer guten Dreiviertelstunde stiessen nach und nach weitere Kieler Gitarristen dazu: Jan Mohr, Daffy Deblitz und der erst siebzehnjährige Nachwuchsgitarrero Kalle Reuter.

Im folgenden Act gesellten sich zu den beiden Kielern die Hamburger Blueslegende Abi Wallenstein und der Schlagzeuger und Cajónspieler Martin Röttger hinzu. Unter dem Namen Spirit Of The Blues zündete das Quartett ein Feuerwerk an R&B und Boogie und sorgte für aufgeräumte Stimmung auf dem belebten Marktplatz.

Der abendliche Hauptact wurde leider ein Opfer des Wetters. Nach dem dritten Song musste der Auftritt von Trudy Lynn & Band vorzeitig beendet werden. Dem plötzlich einsetzenden Wolkenbruch hielten weder die Zelte des Backstage Bereiches, noch das Bühnendach stand und ein Abbruch war unvermeidlich. Auch die anschliessend geplante «Jubilee Session» fiel dann ins Wasser.

Der Freitag begann mit Gaffoot, einer Zweimannband aus Vidar Seljen Melby und Jonathan Fimland Kleven aus Norwegen, die mit Gitarre, Stompbox, Waschbrett und viel Engagement rudimentären Blues und Folkrock aufführten, dessen Attraktivität aber nicht wirklich für anderthalb Stunden genügt.

Ganz anders Micke Bjorklof & Blue Strip, eine finnische Band, die seit mehr als fünfundzwanzig Jahren in der gleichen Besetzung unterwegs ist und inzwischen zu den bekanntesten Bands ihres Landes gehört. Ihr Set war in jeder Hinsicht rund und blieb die ganze Zeit über attraktiv. Sie bot dynamischen Bluesrock, zuweilen auch Southern Rock, alles immer klar im Blues verwurzelt. Dazu eine amüsante Show mit einem charmanten Bandleader und gut aufgelegten Musikern, die allesamt ihr Handwerk verstehen.   

Den Hauptact des Abends bestritt Jonn «Del Torro» Richardson mit seiner Band. Der frischgebackene Blues Music Award Gewinner aus Houston war in Eutin kein Unbekannter, stand er doch schon 2007 und 2010 als Gitarrist Diunna Greenleafs auf der Bühne. Hier brillierte er nun mit seiner eigenen Band und bot fast zwei Stunden temperamentvollen Texas-Blues.

Es ist gute Tradition in Eutin, die schon kurz nach der Mittagszeit beginnenden Konzerte am Wochenende mit einem ruhigen Act zu starten. Platz zwei gab es für den Singer-Songwriter Brian Keith Wallen an der International Blues Challenge 2015 in Memphis, der mit seinem akustischen Set diese Aufgabe übernahm und das langsam auf den Marktplatz strömende Publikum mit seinen poetischen Songs auf den Festival-Samstag einstimmte.

Beatboxer verortet man eher beim Hip-Hop als in einer Bluesband. Chris Kramer hat nun aber zusammen mit dem mehrfachen Beatbox Champion Kevin O’Neal und dem Gitarristen Sean Athens das Projekt Chris Kramer & Beatbox’n’Blues ins Leben gerufen und mit dieser aussergewöhnlichen Combo die German Blues Challenge 2016 gewonnen. Beatboxing lebt zu einem grossen Teil von der Verblüffung, dass man ein Schlagzeug hört, ohne eines zu sehen. Das alleine reicht natürlich nicht, um ein ganzes Set attraktiv zu machen, denn spätestens nach dem dritten Song hat man sich daran gewöhnt, dass der Rhythmus mit Mund, Kehlkopf und Mikrofon erzeugt wird. Deshalb zeigte Kramer sein Talent als Unterhalter und verknüpft die Songs mit schnurrigen Geschichten. Zwischendurch hatte dann O’Neal Gelegenheit, seine Kunst solo vorzuführen. Insgesamt ein amüsanter und origineller Auftritt.

Die Preisträger Serie setzte sich mit dem Gewinner der Swedish Blues Challenge 2015, der Gruppe Ida Bang & The Blue Tears fort. In ihrer Heimat ist die 25-jährige Sängerin mit der eindrücklichen Stimme bereits ein Star, sie wird mit Sicherheit auch im übrigen Europa bald bekannt werden. Zusammen mit ihrer aufgestellten Band verwandelte sie mit ihrem Retroblues den Marktplatz in einen Tanzsaal. Naja, vielleicht zu schwärmerisch ausgedrückt, jedenfalls stand niemand still, alle gaben sich den Rhythmen der perfekt gespielten Songs hin. Jump Blues, R&B, Countryblues – alles mit dem richtigen Feeling modern interpretiert. Bestens unterstützt wurde sie von ihren beiden Gitarristen Leo Henriksson und John Bernström. Auch die Rhythmusgruppe konnte überzeugen. Starker Auftritt der erst 2013 gegründeten Gruppe.

Den Abend bestritt Shawn Holt & The Teardrops mit Chicagoblues und R&B. Wie bei allen Kindern einer Legende, die dessen Tradition irgendwie weiterleben lassen müssen - oder wollen, endet es bestenfalls in Perfektion, bleibt aber irgendwie uninspiriert. Jedenfalls konnte ich dem Abend nicht viel abgewinnen, auch wenn es handwerklich nichts zu meckern gibt. Der Funke wollte einfach nicht überspringen.

Die argentinische Daniel De Vita Band war für mich die Entdeckung des Festivals. Ein schüchtern wirkender, feiner Mann, dessen auffälligstes Merkmal ein Pinupgirl-Abziehbild aus den Fünfzigerjahren auf der Gitarre und Drehknöpfe in Würfelform waren, betrat die Bühne. Er hatte den Bassisten Freddy Muñoz und seinen Drummer Gabriel Cabiaglia dabei. Verstärkt wurde die Band durch den Eutiner Harmonikaspieler JJ Cleanhead, alias Jens Jordan. Es war de Vitas erste Tour durch Europa, aber hoffentlich nicht die letzte. Er entpuppte sich als zurückhaltender, aber einfallsreicher Gitarrist, der sich und dem Publikum nicht beweisen muss, wie gut er sein Instrument beherrscht. Dafür spulte er ein Retroblues Programm vom Feinsten ab.

Aus der Schweiz kam die Andy Egert Blues Band mit ihrem bocksoliden No-Nonsens Blues, der offensichtlich gut gefiel, jedenfalls füllte sich der Marktplatz während der ersten drei nahtlos aneinander gereihten Songs zusehends. Zusammen mit dem Bassisten Markus de Pretto und dem Schlagzeuger Tosho Yakkatokuo zündete Egert ein fast zweistündiges Feuerwerk bekannter und weniger bekannter Titel aus dem Kanon des Chicago-, Texas- und British Blues. Dabei wurden aus den Coverversionen nahezu eigene Titel im unverkennbaren Andy Egert Stil.

Die Steepwater Band aus den USA beschloss den Nachmittag mit einem viel zu lauten Rockgewitter, das mich in ein weit entferntes Lokal flüchten liess. Über neunzig Minuten volle Kanne, ohne jeden Wechsel der Dynamik und ohne Spannung. Ein Konzert wie aus den Sechzigerjahren, als die Qualität einer Band in Wattzahlen gemessen wurde.

Mit der «Hosted Session», einer Allstar Jamsession, geleitet von Georg Schroeter und Marc Breitfelder, schloss sich der Kreis und beendete das Festival.

Einmal mehr bewiesen die Macher wieso das Bluesfest in Eutin zu den beliebtesten Anlässen in Europa gehört. Man kann nur hoffen, dass die Stadtverwaltung nicht zum Totengräber des Festivals wird. Ich habe von Einheimischen kaum Stimmen gehört, welche die Umbaupläne begrüssen oder auch nur nötig finden.